Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Land wirbt um Auslandsfachkräfte
Erfurt. Nach einer neuen Erhebung ist die Nachfrage nach qualifiziertem Personal gegenüber der bisherigen Planung noch einmal kräftig gestiegen. Das bestätigte Tiefensee im Gespräch mit unserer Zeitung. Ging man bislang von einem Bedarf von 280 000 Fachleuten bis zum Jahr 2025 aus, ist jetzt die Rede von mehr als 344000. „Darauf reagieren wir mit drei Ansätzen. Zum einen kommt es darauf an, Fachkräfte aus Thüringen und Deutschland zu gewinnen. Das versucht etwa unsere Fachkräfteagentur über ihre Stellenbörse“, sagte Tiefensee.
Zudem habe man die gesamte Werbung des Landes umgestellt. „Sie zielt jetzt vor allem auf Studienabgänger und Fachkräfte sowie die Touristen“, so Tiefensee. Die wirkten nach ihrer Rückkehr in die Heimat als Botschafter des Freistaates. Die Investorenwerbung wurde nachgelagert. „Wir werben um die Pendler, die wir zurückgewinnen wollen, um die Hochschulabsolventen, die wir im Land halten wollen, und um die Berufseinsteiger“, so der Minister. Er forderte die Firmen auf, bei den Bewerbern mit guter Arbeit zu punkten. Dazu gehöre der Lohn, aber auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Freizeitangebote oder Plätze in Kindertagesstätten.
Doch wie um Fachkräfte außerhalb Deutschlands werben? In den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sei das relativ klar geregelt. „Da bekommen wir durchaus gute Leute aus Spanien, Portugal, Bulgarien, Ungarn oder Polen“, so Tiefensee. Aber auch in anderen Regionen hätten die Kammern Netzwerke aufgebaut. So habe die Industrie- und Handelskammer (IHK) Südthüringen ihr Augenmerk auf Vietnam gerichtet. Dort würden potenzielle Auszubildende und ihre Eltern über die Möglichkeiten einer Lehre in Thüringen informiert.
Allerdings sei die Anwerbung von Personal in Ländern außerhalb der EU „ein Hürdenlauf“, wenn man sich die Regularien ansehe, die es bei der Anwerbung zu beachten gelte. Man habe gelernt, damit umzugehen, aber der Aufwand sei unverhältnismäßig. Tiefensee: „Daher braucht Deutschland dringend ein Einwanderungsgesetz.“
Der dritte Ansatz ist ihm zufolge die Produktivitätssteigerungen in den Unternehmen. Es gehe darum, durch Innovation in der Fertigung zu erreichen, dass man das gleiche Ergebnis mit weniger Mitarbeitern erzielt. „Dafür haben wir die Kompetenzzentren Wirtschaft 4.0 und Mittelstand 4.0 geschaffen, welche die Unternehmen bei Innovation und bei der Digitalisierung unterstützen“, so der Minister in dem Gespräch.
Das Problem fehlender Fachkräfte für die Unternehmen im Freistaat spitzt sich in den nächsten Jahren weiter zu. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) setzt dagegen auf Anwerbungen auch im Ausland.