Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Thüringen erhält weniger EU-Gelder
Auswirkung nach spürbar
Erfurt. Weil es Deutschland vergleichsweise gut geht, werden die Bundesländer nach 2020 voraussichtlich weniger Geld aus Töpfen der Europäischen Union bekommen. Das hat auch Auswirkungen auf Thüringen.
Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linksfraktion im Europaparlament, sieht den künftigen Finanzrahmen kritisch. Auf der einen Seite stünden die durch den Brexit bedingten Mindereinnahmen, auf der anderen Seite aber auch Mehrausgaben beispielsweise im Bereich der Militärforschung. Die Linke hat den Europäischen Sozialfonds (ESF) mitverhandelt. Er hilft unter anderem dabei, durch Qualifizierung einen besseren Arbeitsplatz zu bekommen.
Auch die europapolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Madeleine Henfling, ist davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit mehr in den Fokus gehört. Sie steht einer in erster Linie in Beton gegossenen Förderung für den Straßenbau skeptisch gegenüber. Aber auch Projekte zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit hätten nicht immer den gewünschten Effekt. Die EU-Mittel sollten weiter dafür eingesetzt werden, um Wandlungsprozesse zum Beispiel bei der Digitalisierung zu begleiten, meint Henfling.
Für die Förderperiode 2014 bis 2020 hat allein der ESF in Thüringen ein Volumen von nicht ganz einer halben Milliarde. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (Efre) schlägt mit knapp 1,2 Milliarden Euro zu Buche. (elo) München. An 436 Tagen saß Beate Zschäpe im Gerichtssaal A 101 des Münchner Justizzentrums. Während mehr als fünf Jahre vergingen, traten Hunderten Zeugen, Anwälte und Angehörige auf, die sie beschuldigten, sie anklagten, sie verfluchten – und sie immer wieder baten, endlich zu reden.
An diesem Dienstag sagt nun Zschäpe: „Ich bin ein mitfühlender Mensch und habe sehr wohl den Schmerz, die Verzweiflung und die Wut der Angehörigen sehen und spüren können.“Dies belaste sie bis heute. „Die Tatsache, dass ich für Sie alle hier im Saal nicht die gewünschte Reaktion darauf gezeigt habe, heißt nicht, dass ich nicht erschüttert und entsetzt bin.“
Es sind die letzten Worte der Hauptangeklagten. Das Urteil über sie soll am 11. Juli verkündet werden. Dann wird Zschäpe, die inzwischen 43 ist und seit sechseinhalb Jahren in U-Haft sitzt, endlich erfahren, ob sie auch den Rest ihres Lebens im Gefängnis und in Sicherungsverwahrung verbringen muss.
Die Frau aus Jena ist der Mittäterschaft an allen NSU-Verbrechen angeklagt. Dazu gehören die zehn Morde an neun Menschen mit Migrationshintergrund und einer Polizistin, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle. Hinzu kommen schwere Brandstiftung und mehrfacher Mordversuch.
Die Empore ist voll mit Zuschauern und Journalisten besetzt. Beate Zschäpe hat ihre langen, schwarzen Haare nach hinten gebunden. Ihr Auftritt wirkt betont schlicht. Dunkle Jacke, dunkle Hose, langer, dünner Schal mit Blumenmuster.
Nachdem Fotografen und Fernsehteams den Saal verlassen haben, öffnet sich die Tür hinter der Richterbank. Aus ihr heraus tritt der Vorsitzende Richter Manfred Götzl, es folgt das knappe halbe Dutzend Richter. Falls dies für Götzl, der demnächst in Pension geht, ein besonderer Tag sein sollte, dann lässt er sich nichts anmerken. Er verliest die Liste der Anwesenden und fragt dann, ob es noch Anträge gebe.
Es gibt einen. Anwalt Adnan Erdal, der ein Opfer des Kölner Bombenanschlags vertritt, beklagt sich neuerlich darüber, dass das Holzkreuz entgegen der Bitte seines Mandanten bei der Urteilsverkündung nicht abgenommen werden soll.
Die Verhandlung wird für eine halbe Stunde unterbrochen, dann ist auch dieser letzte Antrag abgelehnt. Götzl schaut fragend in die Runde. Niemand regt sich. Und so sagt der Vorsitzende Richter am 3. Juli 2018, um 10.24 Uhr: „Dann wird die Verhandlung geschlossen.“
Man komme nun „zu den Schlussausführungen der Angeklagten“. Beate Zschäpe hat sich vier A4-Blätter zurechtgelegt, auf der in Großschrift der Text ausgedruckt ist. Sie liest ruhig ab, akzentuiert, ihr thüringischer Dialekt klingt kaum durch. „Hoher Senat, sehr geehrte Anwesende, heute möchte ich die Chance der letzten Worte nutzen, was mir zugegebenermaßen nicht leicht fällt“, beginnt sie. „Ich habe das Gefühl, dass jedes Wort, und sei es von mir noch so ernst und ehrlich gemeint, falsch beziehungsweise mir nachteilig ausgelegt wird.“Trotzdem wolle sie nun reden.
Sie beginnt mit dem Tag ihrer Verhaftung in Jena. „Rückwirkend betrachtet war der 8. November 2011 eine Art Befreiung für mich“, sagt sie.