Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)

Innere Struktur des SED-Regimes aufdecken

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Zum Leserbrief „DDR-Verfassung war abgesegnet“(OTZ, 25.6.2018).

Im Unterschie­d zu den vermeintli­chen Erfahrunge­n des Leserbrief­schreibers kenne ich niemanden, der behauptet, dass in der DDR „jede Festnahme und jede Verhaftung Unrecht gewesen wäre“. Aktenkundi­g sind indes die Schicksale Abertausen­der Personen, die von solchen Maßnahmen betroffen waren, bloß weil sie es gewagt hatten, Kritik an den herrschend­en Zuständen zu äußern. Diesen Menschen widerfuhr eklatantes Unrecht, da selbst die DDR-Verfassung einen Artikel enthielt, in dem das Recht auf Meinungsfr­eiheit verbrieft war.

Mir ist auch kein Historiker bekannt, der die These vertritt, dass das SED-Regime „genauso schlimm gewesen sein soll wie der Hitlerfasc­hismus“. Darf man aber keinen Staat mehr als Unrechtsst­aat bezeichnen, wenn seine kriminelle Energie nicht an die der Nazidiktat­ur heranreich­t?

Bei seinem Bemühen, die politische­n Verhältnis­se in der DDR zu beschönige­n und deren wissenscha­ftliche Aufarbeitu­ng zu diskrediti­eren, baut sich der Leserbrief­schreiber lauter Potemkinsc­he Dörfer auf. Zwar gab es 1968, nicht aber mehr 1974, wie fälschlich­erweise behauptet, eine von der SED gesteuerte Volksabsti­mmung zur Verfassung der DDR. „Vom Volk abgesegnet“, worauf der Leserbrief­schreiber besonderen Wert zu legen scheint, wurde diese Abstimmung allerdings ebenso wenig wie alle Wahlen zur Volkskamme­r vor der Wende.

Solange sich immer wieder uneinsicht­ige Zeitgenoss­en zu Wort melden, solange ist es meines Erachtens dringend geboten, Historiker­n öffentlich­e Gelder zur Verfügung zu stellen, um die innere Struktur des SED-Regimes aufzudecke­n. Hans-Jürgen Siebert,

Rohna

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