Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Moritaten vom Drehorgelmann in der Schleizer Stadtkirche
Kerstin, Klaus und Johann Rilke waren die Initiatoren dieses besonderen Abends. Der Beifall nach dem Konzert fiel langanhaltend und herzlich aus.
Schleiz. Zu einem besonderen Orgelkonzert strömten jüngst Interessenten und Liebhaber dieser Veranstaltungen in die Stadtkirche. Die Initiatoren der Abende mit einem besonderen Flair, Kerstin, Klaus und Johann Rilke, begrüßten ihre Gäste mit farbenfreudigen Mixgetränken.
Ganz leise bahnten sich zarte Töne ihren Weg durch das Gotteshaus. Mittelalterlich gewandet, mit Zylinder und Bauchladen, näherte sich Kerstin Rilke. Mit einer kaum sichtbaren Kurbel bewegte sie eine winzige Drehorgel und hatte sofort die Aufmerksamkeit des Publikums auf ihrer Seite. Für ganze 50 Cent konnte man bei diesem Wesen, das im 17. und 18. Jahrhundert auf Jahrmärkten umher wandelte, ein Los kaufen und eine Süßigkeit bekam man dazu.
„Was wäre unsere Orgel, wenn der Mechanismus nicht funktioniert“, sagte die Frau vom Jahrmarkt. „Und was wäre unsere Orgel, wenn sie nicht ein Organist mit seiner Seele zum Leben erweckt“, ergänzte sie und machte sich daran, die zusammengesunkenen Gestalten des Organisten und Trompeters mit einer riesigen, banal aussehenden Zauberkurbel Stück für Stück aufzurichten.
Orgel und Trompete erklangen als Soloinstrumente aber auch im Duett und im Wechselspiel. Das alles zu hören – mit Verstärkung durch die wunderbare Akustik in der Kirche – war ein besonderes Erlebnis. Kerstin Rilke erzählte, rezitierte und sang auch berlinerisch, dort wo es angebracht war. Von ihr erfuhren die Lauschenden, dass die erste Musikdose 1811 auf den Markt kam. „Wenn die Leute Lust hatten, setzten sie eine Walze in Bewegung“, erklärte sie. Das war eine gewaltige Neuerung, die Eingang in die kleinste Hütte fand. Jetzt konnte man sich italienische und französische Musik nach Hause holen, eine enorme Bereicherung der sonntäglichen Gesänge.
Am Sonntag bewiesen zwei Meister ihrer Instrumente, wie vielseitig diese einsetzbar sind. Ein Beispiel war „Drehorgelwurm“von Thomas Riegler, ein ungewöhnliches Stück, das sehr gut gefiel. „Sabinchen war ein Frauenzimmer“zählte zu den Geschichten, die der Drehorgelmann damals erzählte. Dazu kamen auch Moritaten von den Bänkelsängern – vorgetragene Lieder, oft mit dramatischem Inhalt. Man saß verliebt auf schwingenden Pferden, drehend im Kreis und dazu erklang vielleicht auf der Karussellorgel „Barcarole“. All diese Situationen aus längst vergangener Zeit wurden dem Publikum vorgestellt mit jeweils passender Musik. Zwischen Hits aus der Zillezeit erklangen unter anderem auch „Allegro brillante“von Petrali und der heute noch beliebte Titel „Oh, mein Papa“. Kerstin Rilkes Stimme passte sich dem jeweiligen Thema an, gleich ob mit oder ohne Dialekt. Flott, verträumt oder energisch – alle Stimmungen wussten die Virtuosen an ihren Instrumenten umzusetzen. (R. K.)