Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Razzia in Jena – Aktion gegen Netzaktivisten
Jena. Der Schock saß bei Jens Kubieziel und seiner Familie tief. Vor allem die Kinder hätten die Arbeit der Polizei immer mit der Suche nach Verbrechern assoziiert. Am 20. Juni durchsuchte die Polizei die Wohnung der Familie in Jena-Nord und beschlagnahmte mehrere Rechner und Festplatten, obwohl Kubieziel nur als Zeuge vernommen werden sollte.
Jens Kubieziel berät kleine und mittelständische Firmen in der IT-Sicherheit und im Datenschutz, engagiert sich aber auch ehrenamtlich im Vorstand der „Zwiebelfreunde“. Deshalb geriet er ins Visier der Münchner Generalstaatsanwaltschaft.
Hintergrund sind die Ermittlungen gegen die Autoren eines Blogs, auf dem zu gewalttätigen Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag in Augsburg aufgerufen worden war.
Um mit den Autoren in Kontakt zu treten, konnten Interessierte eine E-Mail-Adresse nutzen, die bei einem nicht kommerziellen Anbieter in den USA eingerichtet wurde. Dieser Provider bittet für seine kostenlosen Dienste um Spenden, geführt wird dafür auch ein Spendenkonto vom Verein „Zwiebelfreunde“. Die Behörden sahen nun offensichtlich einen Zusammenhang zwischen der Aufforderung, Straftaten zu begehen, und den „Zwiebelfreunden“.
„Die Beamten klingelten um sechs Uhr. Sechs uniformierte und bewaffnete Polizisten sowie zwei Vertreter der Stadt Jena als Zeugen standen vor unserer Tür“, berichtet Jens Kubieziel. Dabei hätte die Polizei mit einem Anruf die Sache klären können, da die „Zwiebelfreunde“nur die Spenden verwalteten und keinen Zugriff auf die Nutzerdaten des E-Mail-Providers hätten, sagte er. Der Jenaer hat sich mittlerweile einen Anwalt genommen, zumal er immer noch auf die beschlagnahmte Technik wartet. Die „Zwiebelfreunde“ leisten Aufklärungsarbeit und Unterstützung in Sachen Datenschutz, Anonymität und Privatsphäre im Internet.
Durchsucht wurden neben Kubieziels Wohnung die Räume des Dresdener Vereins „Zwiebelfreunde“sowie Wohnungen in Berlin, Dresden und Augsburg. „Die von der Durchsuchung betroffenen Personen sind der genannten Straftaten nicht verdächtig“, erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Die Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (Linke) kritisiert in einer Mitteilung die Razzia scharf: Sie habe den Eindruck, dass die Begründungen für die Durchsuchungen vorgeschoben seien und Aktivistinnen und Aktivisten, die sich gegen die zunehmenden Zugriffsrechte staatlicher Sicherheitsbehörden engagierten, unter Druck gesetzt würden.
Die Polizei hat in Jena und weiteren deutschen Städten Vereinsräume und Wohnungen von Netzaktivisten durchsucht. Die Generalstaatsanwaltschaft München will mit der Razzia die Verantwortlichen eines Internet-„Reiseführers für Krawalltouristen“finden.