Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Klinsmann für Japan?
Tokio. Der ehemalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann soll der Wunschkandidat des japanischen Fußball-Verbandes für den Posten des Nationaltrainers sein. Das berichten Sports Nippon und Daily Sports aus Japan. Der 53-Jährige ist derzeit ohne Trainerjob, nachdem er im November 2016 vom US-Verband beurlaubt worden war.
Japan war bei der WM in Russland im Achtelfinale knapp mit 2:3 an Belgien gescheitert. Trainer Akira Nishino hatte die volle Verantwortung für das Aus übernommen. Klinsmann sagte vor Kurzem, er halte seine baldige Rückkehr auf einen Trainerstuhl für möglich. Moskau. Spätnachts, als es über Moskau fast schon wieder zu dämmern begann und Gareth Southgate seinen Rollkoffer im Teambus verstaut hatte, da musste er allmählich begreifen, was er und seine Mannschaft da angerichtet hatten. Ein, nun ja, sehr englischer Fan – nackter Oberkörper, schwabbelnder Bauch, Hosenträger darüber, volltätowiert, Glatze – winkte ihn für ein Foto heran. Selbst dieser Kerl strahlte nach einem historischen Abend so wie ein frischgebadetes Kind. Es war unmöglich, ihm seinen Wunsch abzuschlagen, und so standen sie dann also nebeneinander, der Fan und der elegante Nationaltrainer Southgate, der es mit seinen Dreiteilern zu Hause jetzt mehr denn je zur Stilikone bringt. Das alte und das neue England.
Kolumbien gleicht in Nachspielzeit aus
Denn so tritt Southgate ja auf, als Reformer. Der Veteranen wie Wayne Rooney oder Torwart Joe Hart abservierte und einen geduldigeren, ballbesitzorientierten Spielstil predigt. Der dafür eine weitgehend unbelastete Generation zur Verfügung hat – die jedoch in diesem WM-Achtelfinale gegen Kolumbien plötzlich Gefahr lief, bei erster Gelegenheit zur nächsten traumatisierten Generation zu werden. Als sie in der Nachspielzeit den Ausgleich kassierte und in der Verlängerung kein Tor schaffte, da blickte sie dem wirkungsmächtigsten Dämon des Weltfußballs ins Auge. Da musste sie nach fünf verlorenen Serien in Folge für England ein Elfmeterschießen gewinnen.
Und weil der Fußball letztlich eine einzige große Erzählung ist, weil er in seine Dramen so gern Querverweise einbaut, weil er denen, die nicht an ihm verzweifeln, immer die Erlösung anbietet, irgendwann, eines Tages – deshalb stand Southgate an der Seitenlinie und feierte am Ende den 5:4-Erfolg.. Der Mann, der gleichzeitig viel altes England war. Sehr viel. Der in einem der Dramen eine Hauptrolle spielte. 1996, als er im Halbfinale der Heim-EM gegen Deutschland den sechsten Elfmeter vergab. Über den die Leute noch Jahrzehnte später tuschelten, wie er in seiner Autobiografie schrieb: „Das ist doch der Typ, der den Elfmeter verschossen hat...“
Vielleicht haben die Russen einen genauso guten Sinn für Ironie wie die Engländer. Mindestens aber einen für Dramaturgie. Als die reguläre Spielzeit im Moskauer Spartak-Stadion abgepfiffen war, lief aus den Boxen die erste Strophe eines zwei Jahre nach der Heim-EM veröffentlichten Remakes des Turnier-Gassenhauers „Football’s coming home“. Sie beginnt: „Tears for heroes dressed in grey“– „Tränen für Helden in grau.“Tränen wegen Southgate. Die Dämonen, ganz nah.
Aber Southgate hörte nicht Stadionmusik. Southgate blendete alles aus, Southgate war im Tunnel: „Fokussiert geblieben“sei er, und das sei auch die Botschaft an die Spieler gewesen. „Own the process“– er hatte das schon vorher ausufernd gepredigt. Zur Verarbeitung seines Traumas, das zugleich das seiner Nation war, flüchtete Southgate in eine Mischung aus Wissenschaft und Populärpsychologie. Er hatte jeden Spieler individuellem Training unterzogen, die Liturgie vom Punkt immer wieder einstudieren lassen. Er versuchte, das Elfmeterschießen von allen Emotionen und Überhöhungen zu befreien, es völlig zu technisieren. Nichts habe es