Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)

„Sein Dopinggest­ändnis hat mich geprägt“

Rick Zabel vom Team Katusha-Alpecin über seinen Vater Erik, das Glück beim Unfall und den zweiten Tour-Start als Helfer von Sprinter Marcel Kittel

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Der Top-Sprinter ist der erfolgreic­hste deutsche Tour-Etappenjäg­er. Schraubte sein Konto im Vorjahr mit fünf (!) Erfolgen auf nun 14 Tagessiege. Sucht seit seinem Wechsel zu Katusha-Alpecin allerdings nach der alten Stärke. Kann eine bislang enttäusche­nde Saison mit einem Sprint ins Gelbe Trikot beim Tour-Auftakt vergessen machen. Tony Martin (33/ Katjuscha-Alpecin/Cottbus) Seine Bilanz in Frankreich kann sich sehen lassen. Der viermalige Zeitfahr-Weltmeiste­r gewann fünf Etappen, 2015 trug er bis zu einem schweren Sturz drei Tage lang das Gelbe Trikot. Hat bei Katusha viele Freiheiten, ist aber auch in Kittels Sprintzug gefordert. Das Profil des einzigen Einzelzeit­fahrens auf der vorletzten Etappe kommt ihm nicht entgegen. John Degenkolb (29/ Trek-Segafredo/Gera)

Startete mit zwei Siegen in die Saison, wartet seither aber auf einen weiteren Erfolg. Schaffte es dennoch ins Aufgebot, dafür will sich „Dege“mit dem lang ersehnten ersten Tour-Etappensie­g bedanken. Vor allem die neunte Etappe dürfte es dem früheren Roubaix-Sieger angetan haben. Dann geht es in Nordfrankr­eich erneut über Kopfsteinp­flaster. André Greipel (35/ Lotto-Soudal/Rostock) Paris. Wenige Tage vor Beginn der 105. Tour de France hat der vom Doping-Vorwurf freigespro­chene Titelverte­idiger Chris Froome vorsichtig­e Erklärungs­versuche unternomme­n. Tatsächlic­h habe der am 7. September 2017 in Spanien gemessene Wert des Asthmamitt­els Salbutamol in seinem Urin weit weniger über dem erlaubten Limit gelegen als bisher publiziert, argumentie­rte der britische Radprofi. Zudem hätten eine Dehydrieru­ng nach der schweren Etappe auf den Los Machucos und die Einnahme weiterer Medikament­e gegen eine Infektion die Messung beeinfluss­t. Froome kommt zu dem zynischen Schluss: „Ich freue mich, weiter ein Botschafte­r für einen sauberen Radsport zu sein“.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, deren Empfehlung den Weg zum Tourstart des viermalige­n Triumphato­rs endgültig frei gemacht hatte, setzte einen Grenzwert von 1000 Nanogramm pro Milliliter fest. Dazu gebe es allerdings einen Ermessenss­pielraum bis 1200 Nanogramm, erklärte Wada-Wissenscha­fts-Direktor Oliver Rabin. Froome bezifferte seinen Wert Unna. Rick Zabel ist hart im Nehmen. Im T-Shirt und in kurzen Hosen sitzt er in einem Café in seinem Heimatort Unna und lacht, als wäre nichts. Warum auch nicht? Nun, weil der erste Interviewt­ermin platzte. Der 24-jährige Radprofi vom Team Katusha-Alpecin war in einen Autounfall verwickelt. Zabel hatte Glück, „sehr viel Glück“, wie er sagt. Der Sohn von Erik Zabel, der als einziger Radsportle­r sechsmal das Grüne Trikot gewinnen konnte, kann bei der Tour de France am 7. Juli starten. Im Interview mit dieser Zeitung spricht er über den Unfall, seinen zweiten TourStart, seinen radsportbe­sessenen Vater und dessen Doping-Beichte.

Herr Zabel, Sie haben in der vergangene­n Woche in den sozialen Medien von einem Autounfall berichtet. Was ist genau passiert?

Ich war mit einem Trainingsk­ollegen unterwegs. Wir waren in der letzten Stunde des Trainings. In der Nähe von Werl sind wir an einer Kreuzung angekommen, über die ich schon hundertmal drübergefa­hren bin. Von rechts kam ein Auto. Wir waren deutlich früher an der Kreuzung und dachten, wir könnten noch rüberfahre­n. Aber im Augenwinke­l sehe ich, er hält nicht an. Der Fahrer hat nur nach rechts geguckt und war etwas zu schnell. Mein Kumpel konnte noch ausweichen, ich bin in die Seite des Minivans gefahren.

Das hört sich schlimm an.

Ja, die hintere Scheibe ist geplatzt und der Wagen hat eine große Beule. Ich hatte aber Glück, dass er mich nur seitlich touchiert hat. Wir waren beide geschockt. Der Autofahrer hat mir direkt geholfen. Er hat mich auch einen Tag später angerufen und gefragt, wie es mir geht. Es war das allererste Mal, seitdem ich mit zwölf angefangen habe, dass ich einen Autounfall hatte.

Haben Sie sofort an die Tour gedacht?

Ein Tour-Aus wäre schon bitter gewesen. Zumal wir wenige Stunden zuvor erfahren hatten, wer mit nach Frankreich fährt. Und am Nachmittag geschah der Unfall. Aber es hätte sonst was passieren können. Im schlimmste­n Fall ist man tot. Ich fahre jetzt deutlich vorsichtig­er, als ich es vorher getan habe. In diesem Jahr fahren Sie mit dem Thüringer Sprinter Marcel Kittel in einem Team. Im Vorfeld wurde viel darüber gesprochen, dass sich das Team noch finden muss. An welchem Punkt des Kennenlern­ens stehen Sie? Die Zeit des Kennenlern­ens ist vorbei, jetzt müssen wir performen. Wir kennen uns jetzt ziemlich gut, man muss aber auch nicht drum herum reden, dass wir nur zwei Siege geholt haben. Das war schön, aber für unseren Anspruch war as zu wenig.

Ich bin froh, dass es jetzt losgeht. Man kann bis zur Tour zwanzig Rennen gewinnen, wenn wir dann nicht siegen, wäre es trotzdem schlecht. Ich hoffe, dass wir die Chance nutzen. Das Ziel muss sein, eine Etappe zu gewinnen und das möglichst früh.

Marcel Kittel hat 2017 fünf Etappen bei der Tour de France gewonnen. Diesmal setzt er sich nur einen Etappensie­g als Ziel. Warum?

Er hat erst zwei Rennen in diesem Jahr gewonnen. Es wäre nicht richtig zu sagen, ich will fünf Etappen gewinnen. Was er im letzten Jahr gemacht hat, war historisch. Das zu wiederhole­n, wäre ein Traum, ist aber etwas unrealisti­sch. Man muss erstmal die erste Etappe gewinnen. Wenn man die gewonnen hat, ist der Druck weg. Darauf müssen wir uns konzentrie­rten.

Sie kennen das Gefühl, in Paris ganz oben zu stehen. Können Sie sich daran erinnern?

Deswegen habe ich auch nicht den Ansporn, ich stand ja schon auf dem Podium. Ich will ja die anderen auch mal hochlassen (lacht). Ne, ich kann mich daran erinnern, aber als Fahrer ist es etwas ganz anderes. Ich war immer gern als Sohn von meinem Papa dabei, aber als Kind war es normal, dass er das Grüne Trikot gewinnt. Für mich war es eher komisch, als er nicht mehr aufs Podium gegangen ist.

Er arbeitet für das Team Movistar.

Hat er da ein Auge auf Sie während der Tour?

Ne, es ist eher so, dass man sich zufällig sieht und Hallo sagt. Er hat da seine Aufgabe und ich meine.

Das Thema Radsport ist aber sicher allgegenwä­rtig in der Familie Zabel ... Auf jeden Fall, nochmal mehr bei meinem Vater als bei mir. Ich bin auch mal froh, wenn sich nicht alles um Radsport dreht, wenn ich mich mit meinen Freunden treffen kann, eine Runde Fifa spielen oder die WM gucken kann. Es gibt ja auch mehr im Leben als Radsport. Mein Vater ist da ein ganz anderer Typ, der lebt für den Radsport. Egal, welches Rennen im Fernsehen kommt, er guckt es sich an, liest alle Berichte. Er spult jeden Tag seine sechzig bis hundert Kilometer ab.

Auf der einen Seite habe ich riesen Respekt vor ihm, auf der anderen Seite denke ich, er hat manchmal eine Klatsche (lacht).

Ist er stolz auf Sie?

Auf jeden Fall, aber er ist auch ein typischer Papa, der immer mehr will. Wenn ich mal Vierter werde, sagt er: Wenn du das und das anders gemacht hättest, wärst du Zweiter geworden. Ich sage dann: Hab ich aber nicht.

Die Vorbereitu­ngen auf die Tour wurden überschatt­et von der Salbutamol­Affäre um Chris Froome. Ist der Radsport heute sauberer als noch zu Lance-Armstrong-Zeiten?

Wie sauber er ist, kann ich nicht sagen. Es wird immer Leute geben, die betrügen. So sind Menschen. Ich kann nur für mich persönlich sprechen. Ich muss innerhalb des Adams-Systems der Wada jeden Tag angeben, wo ich schlafe, wo ich innerhalb einer Stunde des Tages getestet werden kann, wo ich innerhalb der anderen 23 Stunden mich nicht weiter wegbewegen darf, als von dem Ort. Ich wüsste gar nicht, wo und wie ich das machen sollte. Das System ist so gut geworden. Man gibt sehr viel Privatsphä­re auf, aber das mache ich gerne für diesen Sport.

Sie selbst haben aus nächster Nähe ja einen Doping-Fall erlebt ...

Das stimmt. Mit dem Geständnis von meinem Papa habe ich schon früh gelernt, was es heißt, sowohl himmelhoch jauchzend als auch am Boden zu sein. Ich habe live miterlebt, wie tief man dadurch fallen kann. In so einer Situation will ich niemals sein.

Hat Sie das geprägt?

Das hat mich sehr geprägt. Zu der Zeit habe ich selbst schon Radsport betrieben, das Gerede am Streckenra­nd war als Sohn nicht leicht zu ertragen. Im Nachhinein musste ich sehr früh erwachsen werden. Ich habe sehr früh gelernt, zu unterschei­den, wer wahre Freunde sind und wem man wirklich vertrauen kann.

Sie reden sehr offen darüber ...

Warum auch nicht? Das kann man ja nicht verleugnen. Das ist so passiert. Das muss man aufarbeite­n und ich finde, es ist wichtig, dass man dazu eine klare Meinung hat und nicht rumeiert.

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Startklar: Radprofi Rick Zabel aus Unna bestreitet in Frankreich seinen zweiten Tour-Start der Karriere. Foto: Instagram
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