Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)
Frankreichs Lehrlinge vor der Reifeprüfung
Das Deschamps-Team ist die jüngste im Turnier verbliebene Elf – und erlebt nun einen Härtetest
Erfahrung fehlt uns, andere Mannschaften wie Brasilien sind uns in dem Punkt voraus. Darin sehe ich ein Problem.“
Sollten die lernenden Les Bleus allerdings heute (16 Uhr/ ZDF) in Nischni Nowgorod das WM-Viertelfinale gegen die kompakte und listige Einheit aus Uruguay für sich entscheiden und damit erstmals seit 2006 ins Halbfinale einziehen, müsste Deschamps seine These wohl langsam überdenken. Denn dann wären es nur noch zwei Schritte bis zum Titelgewinn, den er seiner Mannschaft eigentlich noch nicht zutraut.
Es ist wohl einerseits wirklich seine Überzeugung, dass dieses Turnier eigentlich noch zu früh kommt, um mit Frankreichs zweitem WM-Titel der Geschichte heimzukehren. Seine Mannschaft weist tatsächlich den jüngsten Altersdurchschnitt (aktueller Stand: 26,1 Jahre) aller Viertelfinalisten auf.
Andererseits zeugen die bisherigen Auftritte durchaus von einer gewissen Reife, die Anlass zu mehr Optimismus geben könnte, den Deschamps aber vielleicht aus pädagogischen Gründen nicht zeigen möchte. Auch, um seinen Lehrlingen keinen zusätzlichen Erwartungsdruck aufzubürden.
Nicht berauschend, aber kontrolliert zog der EM-Zweite von 2016 ins Achtelfinale, durch die Siege gegen Australien (2:1), Peru (1:0) und das 0:0 gegen Dänemark mit einer B-Elf. Gegen Argentinien wirkte es dann, als habe das junge Team nur darauf gewartet, wie eine Naturgewalt über Vizeweltmeister hereinzubrechen, der es gewagt hatte, die Schleusen in der Defensive ein bisschen zu öffnen.
Das ist von Uruguay kaum zu erwarten. Die Südamerikaner haben alle vier WM-Spiele nach 90 Minuten gewonnen und erst ein Gegentor kassiert. So wird sich heute zeigen, ob Deschamps‘ junges Team in diesem Schwergewichtskampf wirklich schon über genug Reife verfügt.