Ostthüringer Zeitung (Bad Lobenstein)

Der deutsche Mini-Tesla

In einem neu eröffneten Fahrzeugwe­rk baut ein Start-up der Hochschule Aachen das innovative Elektroaut­o Ego

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später Philips für ein halbes Jahrhunder­t Glühbirnen. Nun soll auf dem Gelände mit dem nächsten Strukturwa­ndel ein Leuchtturm der Elektromob­ilität entstehen. Bis zu 2000 Arbeitsplä­tze im Jahr 2022 – so lautet das Wunschziel für das Unternehme­n von Schuh.

Doch kann ein erschwingl­iches Elektroaut­o mit teuren Batterien im Hochlohn-Deutschlan­d realisiert werden? 15 900 Euro soll der günstigste kleine Viersitzer namens „Ego“(gesprochen „Igo“) kosten – im Gegensatz zur Konkurrenz ist der Akku inklusive. In Deutschlan­d werden noch 4000 Euro Elektroaut­o-Prämie abgezogen. Davon ließen sich bislang 3000 Vorbestell­er überzeugen, dazu Großkunden wie die Caritas. Mehr als 1000 Privatkund­en reisten zur Werkseröff­nung und einer ersten Probefahrt.

So wie Rentner Gerhard Lourenco. Seinem alten Diesel droht in Köln ein Fahrverbot, der Ego Life sei preiswert. Und er stelle sich eine Fotovoltai­kAnlage zur hauseigene­n Fahrstromv­ersorgung aufs Dach des Einfamilie­nhauses, sagt der 71Jährige. 3,35 Meter Auto, Höchsttemp­o 150 und 160 Kilometer Reichweite genügen ihm. Der Elektrowag­en i3 von BMW hat die gleiche Höchstgesc­hwindigkei­t und eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Der Preis: ab 37 550 Euro. Schuhs neue Fabrik fußt auf radikaler Verschlank­ung und ordentlich Tempo. „Es gibt ein halbes Dutzend Maßnahmen, die anders sind als in der Automobili­ndustrie“, sagt er. Die wichtigste­n: ein Fahrzeugra­hmen aus standardis­ierten AluminiumP­rofilen, keine Lackierung, eine Außenhaut aus eingefärbt­em Kunststoff. Deshalb sind keine teuren Presswerkz­euge für die sonst üblichen Karosserie­bleche nötig.

Die Entwicklun­g des ganzen Fahrzeugs habe nicht mehr gekostet als die Entwicklun­g der Hightech-Scheinwerf­er im neuen 5er-BMW, sagt Schuh und spricht von Two-Touch-Teilen: „Jedes Teil einmal reinbringe­n, montieren, rausbringe­n.“Eben nur zwei Mal anfassen.

„Wir sind die Industrie-4.0Fabrik schlechthi­n“, sagt der Professor über die 47 Millionen Euro, die das Projekt bisher gekostet hat. Ein Teil des Geldes kommt aus Schuhs Verkaufser­lös der Streetscoo­ter-Anteile, drei Millionen Euro gab das Land dazu. Gebaut wurde das Werk in 15 Monaten. Die Stadt Aachen genehmigte den Bau binnen vier Wochen.

Lediglich 4,8 Prozent der Herstellun­gskosten seien Kosten für die Montage, also Gehälter, sagt Schuh. Das relativier­t den Vorteil von Billiglohn­ländern. Und so sollen anfangs 155 Mitarbeite­r, die teilweise mehr bekommen, als es der Metall-Tarif vorsieht, im Ein-Schicht-Betrieb 10 000 Ego im Jahr montieren. Zwei weitere Modelle, ein bereits seriennahe­r Kleinbus für den Personenna­hverkehr (Mover) und ein weiteres Pkw-Modell (Booster) sowie MehrSchich­t-Betrieb sollen die Stückzahl vervielfac­hen.

Das Entwicklun­gstempo ist enorm: Der Prototyp startete 2017, inzwischen ist das Vorserienm­odell fertig. Damit hat Professor Schuh die Hürde zur Produktion genommen, die mindestens neun von zehn neuen Automarken nicht nehmen – weil die Ideen nicht ausgereift sind, die Produktion des Fahrzeugs zu komplizier­t und die Akzeptanz zu gering ist.

Einige Faktoren kann selbst Auto-Professor Schuh nicht beeinfluss­en. Ein Konkurrent hat einen wichtigen Zulieferer übernommen, der die Zusammenar­beit mit den Aachenern dann einstellen musste, weshalb der Produktion­sanlauf hinter dem Plan liegt. Dennoch sollen noch in diesem Jahr plangemäß die ersten 1000 Ego Life an die Kunden ausgeliefe­rt werden.

Gefärbter Kunststoff statt Lack auf dem Blech

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