Macron will Merkels Ehrgeiz wecken
Die Bundeskanzlerin reist zum französischen Präsidenten. Der möchte schnelle Antworten
gewartet. Nach Merkels Wiederwahl will er in der Europapolitik durchstarten, Reformen vor allem für die Eurozone durchsetzen. Er und seine Leute machen aus der Ungeduld keinen Hehl. „Es ist unerlässlich, dass wir gemeinsam einen neuen Ehrgeiz entwickeln“, sagte Macron am Freitagabend. Merkel ergänzte, man wolle gemeinsame Wege finden. Details blieben zunächst offen. Einig war man sich darin, einen gesonderten deutsch-französischen Gipfel zu organisieren, um Entscheidungen in der Asylpolitik vorzubereiten. Zu diesem Thema soll es einen EU-Gipfel im Juni dieses Jahres geben.
Seine Hoffnungen sind groß, weil parallel sein Finanzminister Bruno Le Maire den deutschen Kollegen Olaf Scholz in Paris empfängt. Und Merkel? Fast sechs Monate ließ die deutsche Kanzlerin verstreichen, ohne konkrete Antworten auf Macrons Vorschläge zu geben. Nun kommt sie mit einem Ja, aber: Der Schulterschluss mit Macron ist ihr wichtig, die deutsch-französische Zusammenarbeit soll neue Dynamik entfalten – aber in zentralen Fragen der künftigen EU-Politik bringt die Kanzlerin weniger mit als erhofft. Dass Deutschland und Frankreich beim EU-Gipfel kommende Woche eine gemeinsame Position zur Reform der Eurozone präsentieren, ist erst mal nicht in Sicht. Macron wollte für die Eurozone einen eigenen Haushalt und einen Finanzminister durchsetzen, beides trifft auf Skepsis im Kanzleramt – und in vielen anderen EU-Staaten.
Merkel will nun, dass Berlin und Paris „gemeinsame Pfade abstecken“, aber Einzelheiten bleiben in der Schwebe. Offiziell wird zur Entschuldigung auf die lange Regierungsbildung in Berlin verwiesen, in Wahrheit engen Kritiker in der Union Merkels Spielraum ein.