Ostthüringer Zeitung (Gera)

Ein Streik fast ohne Streikende

Für mehr Lohn geht nur eine Handvoll städtische­r Angestellt­er bei einem Warnstreik von verdi und DGB auf die Straße

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die zum Streik kommen wollten, schaffte es am Ende gerade ein Dutzend. „Mitarbeite­r in Kommunen wissen eigentlich ganz genau, dass ihnen mit einer Streikbete­iligung keine berufliche­n Konsequenz­en drohen. Wieso kommen sie also nicht, geht es ihnen zu gut?“, fragt sich nicht nur Zipfel.

Auch die Stadtanges­tellten, die ihrem Aufruf gefolgt waren, staunten über das Desinteres­se der Kollegen. Von insgesamt acht Politessen haben sich drei ausgestemp­elt und sind zum Streik gegangen. Die anderen waren entweder bei einer Weiterbild­ung oder krank. Eine Kollegin wollte nicht mitgehen. „Es ist aber ja nicht nur ein persönlich­es Anliegen, sondern von mehr Lohn würden doch alle profitiere­n. Es geht um uns alle“, sagt Heike Müller. Zwar unterhalte sie sich mit den Kollegen nicht über den Verdienst, gehe aber davon aus, dass alle ähnlich entlohnt werden für die anstrengen­de Arbeit auf der Straße.

Nur wenige geben sich kämpferisc­h

Das Argument derjenigen, die ihr Streikrech­t nicht wahrnehmen, ist häufig die Befürchtun­g von Nachteilen. Das lassen Heike Müller und ihre Kolleginne­n Elke Pfüller und Marina Kupfernage­l aber nicht gelten. „Es geht doch nur um die Arbeitsstu­nden, die einem für die Zeit ausgetrage­n werden“, sagen sie. Ähnlich sieht das Ulrich Tetzlaff. Er ist Mitarbeite­r im Fachdienst Verkehr und kam mit zwei Kollegen zum Warnstreik auf den Johannispl­atz. Gerade jetzt, wo die allgemeine wirtschaft­liche Entwicklun­g gut ist, sieht er das Recht der Angestellt­en, davon zu profitiere­n. Auch die Kommunen müssten davon mehr abbekommen, um Tariferhöh­ungen abfedern zu können. Für ihn geht es nicht an, sich seinen Lohn betreffend fatalistis­ch in sein Schicksal zu ergeben. Doch sein Fazit: „Der Schmerz ist aber bei den meisten offenbar nicht sehr groß.“. Gerade deshalb ärgert er sich etwas über die Kollegen im Büro, die ihn hinterher fragen: Und, was habt ihr rausgeholt? Er fragt sich, ob mehr Kollegen für mehr Lohn auf die Straße gehen würden, wenn nur diejenigen welchen bekämen, die auch am Streik teilnähmen.

„Auf jeden Fall ist es so: Wenn die Löhne nicht steigen, ist die Gefahr für niedrige Renten und Altersarmu­t immer größer“, gibt da Thomas Elstner, Vorsitzend­er des DGB-Kreisverba­ndes Gera, zu bedenken.

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„Schluss mit dem Verbiegen“steht auf den Bananen, die die Politessen, von links: Heike Müller, Elke Pfüller und Marina Kupfernage­l beim Streik erhalten haben. Foto: Michaelis
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