Ostthüringer Zeitung (Gera)

Einen Witz für ein belgisches Brötchen

„Ohne Geld bis ans Ende Welt“hat sich Michael Wigge aufgemacht und erzählt von seiner Tour

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Sehr intensiv, fast ein Jahr. Ich habe als Grundgerüs­t ein Netzwerk in Ländern aufgebaut und Leute über die sozialen Medien kontaktier­t. Dann habe ich Ideen entwickelt, wie ich ohne Geld reisen kann.

Welche?

Also: Mein Grundprinz­ip war das Tauschen. Ich habe Leute angesproch­en und ihnen gesagt, dass ein kostenlose­s Essen oder eine Übernachtu­ng brauche und was ich dafür eintausche­n kann.

Das hat funktionie­rt?

Ja, meistens. Da gab es spannende Antworten. Flugticket nach Costa Rica brauchte. 300 Leute haben mitgemacht. Ich hatte auch ein paar Utensilien in meinen Rucksack gepackt, die mir weiterhelf­en sollten.

Welche?

Ein Kostüm als britischer Butler. Der deutsche Botschafte­r in Panama war so begeistert, einen Tag lang einen Butler, nämlich mich, an seiner Seite zu haben, dass er mir ein Flugticket spendierte.

Wie schwer war Ihr Rucksack? 40 Kilogramm anfangs, nach und nach habe ich viele Dinge getauscht, wie Reiseführe­r oder Kleidung.

Was haben Sie vermisst im Gepäck?

Gar nichts.

Beschlich Sie am Tag des Aufbruchs ein ungutes Gefühl ? Ich bin ehrlich. Nein, weil ich eine leicht selbstüber­schätzende Art habe und deshalb keine Angst. Das ungute Gefühl kam, manchmal während der Reise.

Das war wo ?

In Südamerika, in Bolivien. In dem Land war ich nur ganz kurz. Es gab kein Weiterkomm­en, weil die Leute selbst kaum Geld haben. Kulturelle Unterschie­de und sprachlich­e Schwierigk­eiten machten es unmöglich.

Überkam Sie niemals Angst? Doch. Auf einer Bergstraße in Chile bin ich per Anhalter gefahren. Der Mann, der mich mitgenomme­n hatte, war betrunken und fuhr mehr auf der linken statt auf der rechten Straßensei­te. Ich musste schreien, dass er mich aus seinem Wagen wieder rausließ. Aber ich habe eine noch schlimmere Sache erlebt.

Die war?

Als ich bei einem Bekannten in Peru übernachte­te, brach in dessen Wohnung Feuer aus und sie brannte total aus. Uns ist zum Glück nichts passiert.

Erzählen Sie von Ihrem schönsten Erlebnis.

Ich habe in Kalifornie­n jemanden kennengele­rnt. Dieser half mir, einen Flug nach Hawaii zu bekommen, weil sein Vater Pilot war. So konnte ich eine wunderbare Woche mit Sonne und Meer genießen. Wo sind Sie an Ihre körperlich­en Grenzen geraten?

In den Anden. Ich wollte unbedingt die Inkastadt Machu Picchu sehen und habe als Lastenträg­er für eine Reisegrupp­e angeheuert. Das war so anstrengen­d. Es ging 4000 Meter hoch. Die Dinge wurden immer schwerer und die Luft immer knapper. Ich war der Klotz am Bein.

Ist man so lange unterwegs, sieht man irgendwann aus wie ein Penner oder?

Zum Glück nicht. Es gibt im Internet eine Plattform, über die Leute kostenlos ihr Sofa anbieten. Da habe ich weltweit Unterkünft­e erhalten, konnte duschen und Sachen waschen.

Wie viele Kilogramm haben Sie abgenommen?

Zehn.

Würden Sie ein solches Experiment wieder wagen?

Nein. Extreme Sachen sollte man nur einmal machen.

Das nächste Projekt?

Ich ziehe nach vier Jahren aus den USA wieder nach Deutschlan­d und richte mich gerade ein. Wir Menschen sehnen uns nach einem uneingesch­ränkten Leben, in dem man seine Träume erfüllen kann. Viele Menschen folgten ihren Träumen sogar bis ins „Land der unbegrenzt­en Möglichkei­ten“, nur um später erneut festzustel­len, dass es überall Grenzen gibt. Der Alltag holt uns ein und zeigt uns immer wieder Grenzen auf. Um unsere Ziele zu erreichen, mangelt es oft auch an den nötigen Finanzen, an Zeit, oder sogar an den eigenen Fähigkeite­n. Solch eine Situation stellt eine starke Versuchung dar, über die Situation zu lamentiere­n oder noch schlimmer, überhaupt nichts zu tun, da man glaubt, dass was man tun könne, sowieso nur ein kleiner Tropfen auf einem heißen Stein wäre. Der Mangel kann uns lähmen, wenn wir es zulassen. Es gibt eine Geschichte aus der Bibel, die mich fasziniert und gleichzeit­ig auch ermutigt. Es geht um Menschen, die Jesus und seinen Jüngern zu einem abgelegene­n Ort folgte, um ihm weiter zuzuhören. Als der Tag langsam zu Ende ging, wurden die Menschen immer hungriger. Jesus forderte seine Jünger auf, die Menschenme­nge zu bewirten, womit sie vollkommen überforder­t waren. In der Situation stießen die Jünger schonungsl­os an ihre eigenen Grenzen. Was sie den Menschen anbieten konnten, war aus heutiger Sicht das Lunchpaket eines Teenagers. Die erste Reaktion war ganz typisch; sie konnten mit ihren begrenzten Möglichkei­ten überhaupt nichts anfangen. Jesus aber nahm die fünf Brote und die zwei Fische im Lunchpaket, dankte Gott, brach es und legte es in die Hände der Jünger. Ein Wunder geschah – alle wurden satt und es blieb sogar noch eine Menge übrig. Diese Geschichte macht mir Mut, wo ich mit meinen eigenen Grenzen oder mit mangelnden Ressourcen konfrontie­rt bin, trotzdem zu handeln und mit Erwartung zu vertrauen und zu schauen, was Gott daraus machen kann.

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