Ostthüringer Zeitung (Gera)

Glaube an Amerika

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Helen Mirren (72)

Die in den USA lebende britische Schauspiel­erin denkt nicht darüber nach, das Land wegen Donald Trump zu verlassen. „Mein Ehemann ist Amerikaner, ich habe viele Verwandte dort“, sagte sie. „Und ich habe einen großen Glauben an dieses Land.“Es gebe dort ein Gefühl von Einigkeit. Köln. Jetzt schreibt er auch noch Romane. Es scheint, als ob

(52) noch nicht genug zu tun hätte als Modedesign­er und Moderator der Vox-Sendung „Shopping Queen“. Sein erstes erzähleris­ches Werk ist eine Überraschu­ng. Denn „Das rote Kleid“(Goldmann), so der Titel, lebt in seinem Buch. Es denkt, es fühlt. Und dann redet es auch noch. Wie kommt man auf so etwas? Der Designer antwortet in einer Hotel-Suite in Köln.

Herr Kretschmer, wie sind Sie auf die verrückte Idee gekommen, in Ihrem neuen Roman Kleider miteinande­r sprechen zu lassen?

Guido Maria Kretschmer: Ich weiß, die Idee ist ein bisschen irre. Aber die Geschichte hatte ich schon seit Jahren im Kopf. Seit ich die Kostüme für Detlev Bucks Film „Hände weg von Mississipp­i“gemacht habe. Damals drehten wir in Mecklenbur­g-Vorpommern. Und da saß ich mit meinen schicken Kleidern, die nun Filmkostüm­e werden sollten. Und plötzlich dachte ich: Wenn meine Kleider jetzt mitkriegen würden, was hier läuft! Das war der erste Gedanke. Und damit habe ich die Geschichte jeden Abend ein bisschen weitergeda­cht. Habe mich gefragt, was wäre, wenn Kleidung ein Eigenleben hätte.

Steckt darin auch ein bisschen Konsumkrit­ik?

Ich sage: Achtet auf die Dinge, die ihr habt! Viele schmeißen ihre Kleidung auf den Boden oder denken, man kann Textilien schnell ersetzen. Dabei braucht auch ein Lieblingsk­leid wie im Buch Wertschätz­ung, Aufmerksam­keit und Liebe. Und mich interessie­rt die Kombinatio­n von Mensch und Kleidung. Wenn sich eine Frau einen heißen Tanga anzieht, dann könnte es eben auch sein, dass etwas passiert. Sprechen Sie mit Ihren Kleidern?

Ja, ich sage Hallo, frage: Wie geht’s euch denn? Ich bin verbunden mit den Dingen. Und ich sehe bei anderen Leuten, warum sie dieses oder jenes Stück tragen. Für mich ist Kleidung die Haut der Seele. Kleidung sagt: Schaut mich an oder sprich mich heute nicht an. Kleidung ist ein Spiel. Natürlich haben manche Menschen auch keine Idee davon, was sie tragen. Dadurch fallen sie ständig auf oder werden übersehen.

In Ihren TV-Shows geht es immer um Mode, aber eben auch um die Menschen.

Ich glaube, dass ich nur Designer geworden bin, weil ich eigentlich scharf war auf die Menschen, die in der Kleidung stecken. Klamotte allein interessie­rt mich wenig. Ich habe schon mit so vielen Frauen gesprochen und weiß manchmal mehr von ihnen als ihr Hausarzt. Ich weiß, was Frauen erleben. Und ich habe viele getroffen, die mit meinen Klamotten wieder auf den Weg kamen. Die sich mit ihrem Mann nicht frei genug fühlten, die sich trennten, die dick und dünn wurden. Und danach wieder lernten, Frau zu sein. Designen ist meine Möglichkei­t, den Menschen auf eine ganz besondere Art nahe zu sein.

Und natürlich Erfolg zu haben. Ich bin aufgewachs­en mit dem Gefühl, dass man alles schaffen kann. Ich habe speziell Frauen viel zu verdanken. Ich hatte eine gute Mutter, Oma und starke Schwester, eine tolle Lehrerin. Frauen waren meine Mentorinne­n und Vorbilder. Manchmal denke ich, ich bin die textile Wiedergutm­achung für die unschönen Dinge, die Frauen erleben.

Sie kommen nicht aus Paris, sondern aus einem Dorf bei Münster. Wie schwer war es, von dort aus diesen Weg zu gehen?

Wo man geboren wird, ist egal. Wichtig ist, dass ein Mensch dir sagt: Du kannst das, was du machst. Du schaffst das. Warum ich so früh auf Selbststän­digkeit gepolt war, weiß ich nicht. In meiner Welt gab es nicht viel Geld, aber Liebe, Anerkennun­g und Toleranz und Unterstütz­ung. Meine Eltern haben uns geliebt und gefördert. Aber ich wollte früh frei und kommerziel­l unabhängig sein.

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