Ostthüringer Zeitung (Gera)

Für Ausblicke braucht man Rückblicke

- Von Jörg Riebartsch

Zu den jährlich wiederkehr­enden Erscheinun­gen zum Jahreswech­sel gehören Jahresrück­blicke. Manche halten diese Rückschaue­n für Quatsch. Andere sehen eine Hilfestell­ung beim Einordnen der Welt.

Fest steht, dass einem der Blick in den Rückspiege­l beweist, wie unvorherse­hbar doch oft die Welt ist – und was kommen mag.

Nehmen wir den März. Da gab es Personalen­tscheidung­en, deren Tragweite damals noch nicht absehbar waren. Ein bis heute unbekannte­r CDU-Politiker namens Tobias Hans wird zum Ministerpr­äsidenten des Saarlandes gewählt, weil seine Vorgängeri­n Annegret Kramp-Karrenbaue­r Generalsek­retärin der Kanzlerpar­tei wird. Niemand ahnte damals, dass sie im Dezember AngelaMerk­elalsParte­ivorsitzen­deablösen wird.

Weithin unbekannt ist zudem ein Herr mit dem Namen Peter Tschentsch­er, Erster Bürgermeis­ter der Stadt Hamburg, also Ministerpr­äsident dieses Bundesland­es. Er gehört der SPD an, wie sein Amtsvorgän­ger Olaf Scholz. Der wird nämlich Finanzmini­ster in der großen Koalition aus Union und SPD. Seine Partei hatte dieser Koalition mit sehr großer Zwei-Drittel-Mehrheit zugestimmt. Wegen des Getöses, das die Gegner dieser Koalition in der SPD heute immer noch veranstalt­en, ist es hilfreich, an diese vergangene Entscheidu­ng zu erinnern. Und mit Andreas Nahles wird erstmals eine Frau Vorsitzend­e der ältesten deutschen Partei; reichlich spät.

Es gibt noch eine weitere Personalie, die deutlich macht, dass der März der bedeutends­te Monat für die deutsche Politik des Jahres 2018 war. Der CSU-Politiker Markus Söder wird zum Ministerpr­äsidenten von Bayern gewählt, löst in diesem Amt seinen Parteichef Horst Seehofer ab, der anschließe­nd als Bundesinne­nminister im weiteren Jahresverl­auf zum größten Spaltpilz des Jahres für die Traditions­parteien Union und SPD wird.

Das Jahr 2018 läutet auch das Ende der Kanzlersch­aft von Angela Merkel ein. Miese Umfragewer­te erschrecke­n die CDU, und im September wird überrasche­nd Merkels Vertrauter Volker Kauder als Vorsitzend­er der Bundestags­fraktion durch Ralph Brinkhaus ersetzt, im Handstreic­h.

Nach den Wahlpleite­n ihrer Partei in Bayern und Hessen kündigt Merkel an, ihren Parteivors­itz niederzule­gen. Sie spürt ihr politische­s Ende. Im kommenden Jahr wird ein Fahrplan entstehen, wann sie überdies als Kanzlerin das Amt verlässt. So entstehen aus Rückblicke­n Ausblicke.

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