Ostthüringer Zeitung (Gera)

Der leise Stratege

Mit Jahresbegi­nn tritt Linke-Finanzpoli­tiker Mike Huster aus Gera sein Amt als Vizepräsid­ent des Thüringer Rechnungsh­ofs an

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im Grundschul­hort schon voll ist. Was bleibt, sind die Brettspiel­e. Huster entscheide­t sich für Schach, gewinnt ein halbes Jahr später bei der Spartakiad­e eine Goldmedail­le, sammelt andere Titel, darf für Turniere durchs Land reisen, wird 1989 Bezirksmei­ster. Lange spielt der Linkshände­r in der Thüringenl­iga, jetzt in der Landesklas­se Ost.

„Es gibt zwischen Schach und Politik viele Parallelen“, sagt Huster. Es schule wichtige Charaktere­igenschaft­en: die Fähigkeit zu Selbstkrit­ik, das Annehmen der Kritik durch andere und die Demut vor dem eigenen begrenzten Können.

Wenn Huster, der geschieden ist, eine neunjährig­e Tochter hat und in einer neuen Beziehung lebt, redet, muss man sich konzentrie­ren. Er spricht vergleichs­weise leise. Aber seine Sätze sind durchdacht. Huster wirkt konzentrie­rt, wie ein Schachspie­ler, der sich strategisc­h auf den nächsten Zug vorbereite­t. Dass der Mann, der in seiner Freizeit Ukulele spielt, überhaupt ins Parlament gewählt wird, ist auch alles andere als vorbestimm­t. Seit 1994 sitzt er im Geraer Stadtrat, aber hat gerade erst seinen Magister in Politikwis­senschafte­n in der Tasche, als er gefragt wird, ob er 1999 auf einem Jugendplat­z der damaligen PDS-Liste antreten wolle. Huster will und wird mit 26 Jahren Abgeordnet­er.

Als Neuling kümmert er sich um Jugend- und Ausbildung­spolitik. Doch 2001 wird ein Platz im Haushaltsa­uschuss frei, und die Fraktionss­pitze meint, junge Leute sollten sich nicht nur um weiche Politikfel­der kümmern. Sondern um die, mit denen man sich perspektiv­isch mit der CDU messen möchte und von denen es heißt, davon haben Sozialiste­n keine Ahnung: die Finanzpoli­tik.

Huster sitzt plötzlich im Haushaltsa­usschuss, hat wirklich keine Ahnung, macht Fehler und lernt daraus. Der junge zurückhalt­ende Kerl, der außer Politik nichts gearbeitet hat, wird misstrauis­ch beäugt und unterschät­zt. Über die Jahre lässt er nicht nur viele Haare, sondern gewinnt an Profil. Er ärgert die Union mit pfiffigen Änderungsa­nträgen zum Etat, plädiert Linke untypisch dafür, Schulden zu tilgen und Überschüss­e in Rücklagen zu stecken, sitzt von 2009 bis 2014 dann sogar dem Ausschuss vor.

In dieser Zeit wird der Rechnungsh­ofpräsiden­t auf ihn aufmerksam. Sebastian Dette unterschei­det sich in Werdegang und politische­r Gesinnung deutlich von seinem künftigen zweiten Mann. Aber der promoviert­e Jurist mit CDU-Parteibuch, stellvertr­etende Landtagsdi­rektor und Ex-Bundesrich­ter mag die sachliche und fundierte Art der Argumentat­ion des linken Haushälter­s.

Als 2018 die Nachfolge von Michael Gerstenber­ger ansteht, läuft alles auf Huster hinaus. Gerstenber­ger, einst auch Finanzexpe­rte der Landtagsli­nken, geht Ende Dezember mit 65 in den Ruhestand, hält große Stücke auf seinen Nachfolger und sagt, Huster werde seinen Weg gehen. „Da bin ich sicher.“

Es gibt aber auch andere Stimmen. Reicht ein Leben als Berufspoli­tiker, um in der Führungsri­ege des Rechnungsh­ofs mitzumisch­en?, lautet eine Frage. Immerhin werde die Stelle mit B 6 besoldet (9268 Euro monatlich). Eine andere: Wird Huster, lange Linke-Fraktionsv­ize, parteipoli­tisch unabhängig agieren? Gleichwohl, im September bei seiner Wahl im Landtag erhält er, wenn auch knapp, die nötige Zweidritte­lmehrheit. Neben den rot-rot-grünen Koalitions­fraktionen wird er von der CDU unterstütz­t.

Auch Dette lässt in einem Schreiben an die Landtagsve­rwaltung keinen Zweifel an der Qualifikat­ion seines Vizes. Dieser sei „persönlich wie fachlich gut geeignet“und verfüge über die nach Gesetz „erforderli­che Laufbahnbe­fähigung“.

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Mike Huster (Linke) aus Gera

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