Ostthüringer Zeitung (Gera)

„Wir müssen lauter und klarer werden“

Niedersach­sens Ministerpr­äsident und SPD-Hoffnungst­räger Stephan Weil über Parteichef­in Nahles, den Soli-Abbau und mehr Mindestloh­n

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Was will die SPD tun, um den Frust über „die da oben“zu mildern?

Weniger über eigene Befindlich­keiten diskutiere­n und mehr über die Alltagspro­bleme von Bürgern. In einer Sprache reden, die nicht nur Politiker, sondern vor allem auch Bürger verstehen. Und vor allem: Probleme nicht nur beschreibe­n, sondern lösen.

Im Jahr 2020 wird der Mindestloh­n neu bewertet. Wäre das ein guter Zeitpunkt, in die Vollen zu gehen?

Es muss einen Abstand geben zwischen Menschen, die hart arbeiten, und solchen, die aus guten Gründen staatliche Unterstütz­ung kriegen. Ich halte es für angebracht, dass es 2020 beim Mindestloh­n einen größeren Schluck aus der Pulle gibt.

Also den Mindestloh­n von 9,19 auf 12 Euro anheben?

Ich weiß, dass eine Mindestloh­nkommissio­n normalerwe­ise kleinere Schritte festlegt und die Politik sich so weit wie möglich heraushält. Aber die 8,50 Euro zum Start waren auch eine politisch gewollte Marke. Ich will mich jetzt nicht auf den letzten Cent festlegen. Aber 12 Euro werden es schon sein müssen. Realistisc­h ist das aber wohl nur nach den nächsten Wahlen.

Muss auch das Steuersyst­em gerechter werden?

Auch da müssen wir ran. Wir haben zwar im Koalitions­vertrag einen Kompromiss mit der Union vereinbart. Aber das kann nicht das letzte Wort gewesen sein. Ich plädiere schon lange dafür, den Soli schneller abzubauen, die kleinen und mittleren Einkommen deutlich zu entlasten und den Spitzenste­uersatz maßvoll zu erhöhen , damit der Abstand nicht noch größer wird. Das wäre einmal eine Steuerrefo­rm, die Hand und Fuß hat.

Mal schauen, ob Finanzmini­ster Olaf Scholz sich das zu eigen macht. Der Bund hortet Milliarden­überschüss­e.

Mit Olaf Scholz ist da sicher viel zu machen, aber wohl nicht mit der Union. Richtig wäre, den ab 2021 in zwei Stufen vereinbart­en Abbau des Solidaritä­tszuschlag­s für 90 Prozent der Steuerzahl­er schneller anzugehen. Dafür sind Spielräume da. Vor allem Arbeitnehm­er mit kleinen und mittleren Einkommen würden unmittelba­r spüren, dass der Aufschwung auch bei ihnen ankommt.

Schnelles Internet und viele Computer für die Schulen – raufen sich Bund und Länder beim Digitalpak­t endlich zusammen?

Die Politik läuft hier wieder einmal Gefahr, dass die Bürger sie gar nicht verstehen können. Im Grunde geht es um eine simple Frage: Der Bund will fünf Milliarden an die Schulen bringen. Das wird ja wohl noch möglich sein. Aber es gibt einige Bundespoli­tiker, die wollen diesen Punkt nutzen, um die Kräfteverh­ältnisse zwischen Bund und Ländern insgesamt zu verschiebe­n. Das wird nicht passieren. Und es gibt Länderkoll­egen von mir, die wollen dem Bund jede Mitwirkung untersagen. Das kann es auch nicht sein. Wenn alle vernünftig sind, können wir einen Kompromiss erreichen. Niedersach­sen ist dazu bereit.

Sie sitzen im VW-Aufsichtsr­at. Sind die schärferen EU-CO2Ziele eine Gefahr für den Industries­tandort Deutschlan­d? Ich mache jedes Klimaziel gerne mit, für dessen Umsetzung es einen realistisc­hen Plan gibt. Den sehe ich derzeit aber nicht. Stattdesse­n gehen wir eine gefährlich­e Wette ein: Wie schnell wird es in den nächsten zwölf Jahren gelingen, Millionen von Verbrennun­gsmotoren durch neue Elektrofah­rzeuge zu ersetzen? Gegenstand dieser Wette sind Hunderttau­sende von Arbeitsplä­tzen. Klimaschut­z braucht am Ende aber gesellscha­ftliche Akzeptanz.

 ??  ?? Zuversicht­lich: Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) in seinem Arbeitszim­mer in der Staatskanz­lei in Hannover.
Zuversicht­lich: Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) in seinem Arbeitszim­mer in der Staatskanz­lei in Hannover.

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