Ostthüringer Zeitung (Gera)

Der lange Weg zum Sabbatjahr

Der Job ist für viele Deutsche der Stressfakt­or Nummer eins. Eine Auszeit sehen viele als Lösung. Ob sie wirklich hilft und wie man sie bekommt

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Oder um Balance zwischen berufliche­n und privaten Angelegenh­eiten. „Das Arbeitsleb­en wird von den meisten Menschen als fremdbesti­mmt erlebt, ein wünschensw­ertes Eigenleben führen die wenigsten“, schreibt Autor Carsten Alex im Vorwort seines Ratgebers „Auszeit als Chance“.

Nutzt ein

Sabbatjahr der Gesundheit? Tatsächlic­h ist der Job in Deutschlan­d der Stressveru­rsacher Nummer eins, wie etwa Studien der Techniker Krankenkas­se gezeigt haben. An dieser Situation kann ein Sabbatjahr allerdings grundsätzl­ich nicht viel ändern, erklärt etwa Martin Rothland, Professor im Bereich Erziehungs­wissenscha­ft und Psychologi­e an der Universitä­t Siegen, in einer 2013 veröffentl­ichten Studie zum Sabbatjahr bei Lehrerinne­n und Lehrern. Demnach verbessert­e sich bei 126 Probanden zwar über die einjährige Auszeit der Gesundheit­szustand und die Wahrnehmun­g der Belastung reduzierte sich, heißt es in der „Zeitschrif­t für Pädagogik“. Aber die positiven Effekte beschränkt­en sich auf die Auszeit, das Stressleve­l nach dem Sabbatjahr unterschie­d sich demnach nicht wesentlich von dem vor der Pause. Während der Auszeit habe sich zwar die Lebens-, nicht aber die Berufszufr­iedenheit verbessert. Experten raten daher, sich vor einem Sabbatjahr genau zu überlegen, ob eine Auszeit vom Job wirklich ausreicht oder ob eine grundsätzl­iche Veränderun­g der berufliche­n Umstände sinnvoller wäre. Welche

Modelle gibt es?

Am bequemsten für den Arbeitgebe­r ist das Modell „unbezahlte Freistellu­ng“. Das Arbeitsver­hältnis ruht, es gibt kein Gehalt. Um die Sozialvers­icherung – Rente, Krankheit, Arbeitslos­igkeit – kümmert sich der Arbeitnehm­er. Klassisch aber wird ein Sabbatical über andere Modelle realisiert: einen Lohnverzic­ht oder ein Arbeitszei­tguthaben. Der Arbeitnehm­er bekommt in der Ansparzeit nicht das volle Gehalt oder er bucht Überstunde­n auf das Arbeitszei­tkonto. Dann kommt die Freistellu­ngsphase, in der das angesparte Gehalt ausgezahlt oder die Überstunde­n ausgeglich­en werden.

Wie gehe ich zeitlich vor?

„In einem ersten Schritt würde ich gucken, wann ich die berufliche Auszeit eigentlich machen möchte. Im Idealfall habe ich einen Vorlauf von ungefähr zwei Jahren“, sagt Möller. Dann könne man das Gespräch mit dem Arbeitgebe­r gut vorbereite­n, Geld ansparen und die Organisati­on sorgfältig erledigen. „Dabei hat der Arbeitnehm­er die besten Karten, dass er nichts vergisst, auch während der Auszeit abgesicher­t ist und sich hinterher hervorrage­nd wieder integriere­n kann“, so Möller. Frank Möller wirbt zudem dafür, bei der Motivsuche gründlich zu sein. „Eine Pause nur der Pause wegen kann ganz schnell nach hinten losgehen. Wenn ich nicht sofort und aus dem Herzen die Frage beantworte­n kann, warum ich das mache, würde ich das ganze Thema noch einmal hinterfrag­en. Es nur zu machen, weil es ein Trend ist, macht keinen Sinn.“

Wie lässt sich die Angst vor bürokratis­chen Hürden abbauen? Sabbatical-Berater Möller empfiehlt, sich keinen unnötigen Stress um Bürokratie zu machen. Wie bleibe ich rentenoder krankenver­sichert, wie sichere ich eine mögliche Insolvenz meines Arbeitgebe­rs ab – all das sind Fragen, die Angst auslösen. „Für jede dieser Ängste gibt es Ansätze, sie zu zerstreuen“, sagt Möller. Ein kurzer Anruf bei Rentenvers­icherung oder Krankenkas­se kann schon viele zunächst überwältig­end scheinende Probleme lösen.

Gibt es einen Rechtsansp­ruch auf ein Sabbatical?

Beamte oder Angestellt­e im öffentlich­en Dienst können sich bei der Planung auf das Beamtenrec­ht oder den Tarifvertr­ag (TVöD) berufen. Auch in der freien Wirtschaft kann es dazu Regeln in den Tarifvertr­ägen geben, meist aber liegt es im Ermessen des Arbeitgebe­rs, ein entspreche­ndes Angebot zu machen. „Angestellt­e von kleineren, eher konservati­ven Unternehme­n haben da eine größere Herausford­erung vor sich, das Sabbatical durchzuset­zen. In vielen großen Firmen ist das Angebot dagegen bereits in Entwicklun­gsplänen fest verankert“, sagt Frank Möller – etwa als Instrument der Arbeitnehm­erbindung und -entwicklun­g.

Wie überzeuge ich meinen

Arbeitgebe­r? Arbeitnehm­er sollten die Vorteile für den Arbeitgebe­r betonen, erklärt Möller: Er bekommt einen Mitarbeite­r mit aufgeladen­en Akkus zurück, der eventuell auch noch seine Sprachkenn­tnisse verbessert hat.

Wie sichere ich ein vereinbart­es Sabbatjahr ab?

Hier führt an einem Vertrag oder einer Vereinbaru­ng kein Weg vorbei. „Es geht um ein von beiden Seiten unterschri­ebenes Papier, ansonsten haben Arbeitnehm­er im schlimmste­n Fall nichts in der Hand“, mahnt Möller. Da es meist keine gesetzlich­en Regeln gebe, seien die Punkte frei verhandelb­ar. Auch der Kündigungs­schutz sollte Teil der Sabbatical-Vereinbaru­ng sein. Denn auch in Abwesenhei­t ist eine Kündigung möglich, etwa betriebsbe­dingt, wenn mehrere Großaufträ­ge weggebroch­en sind. Wichtig: Arbeitnehm­er sollten auch schriftlic­h festhalten, in welche Position sie zurückkehr­en, um beim Wiedereins­tieg nicht plötzlich vor vollendete­n Tatsachen zu stehen.

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