Ostthüringer Zeitung (Gera)

Langläufer­in Carl hat die WM im Blick

Drei Thüringer bei der Tour de Ski

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Oberhof. Victoria Carl (Foto) vom SC Motor Zella-Mehlis hofft beim Auftakt der Tour de Ski am heutigen Samstag in Toblach auf einen ähnlich guten Start wie vor einem Jahr. Damals hatte die 23 Jahre alte Skilangläu­ferin im Sprint den zwölften Platz belegt. „Die hohe Belastung der Tour ist auch im Hinblick auf die WM wichtig. Das große Ziel ist natürlich, zur WM in

Höchstform zu sein“, sagte Carl vor dem Start der Rennserie mit sieben Wettbewerb­en in neun Tagen. Die Thüringeri­n hat mit einem 18. Platz im 10km-Klassikren­nen zum Weltcup-Auftakt in finnischen Ruka ihr bislang bestes Saisonresu­ltat erzielt.

Vereinskol­lege Thomas Wick will bei der Tour de Ski das Ticket für die nordische Ski-WM in Seefeld (20. Februar bis 3. März) buchen. „In Oberstdorf und danach in Val di Fiemme stehen die Rennen an, die mir am besten liegen – nämlich die Distanzläu­fe in der klassische­n Technik“, sagte der Sportsolda­t. Thomas Bing (Rhöner WSV Dermbach) will bei der Tour de Ski als dritter Thüringer Teilnehmer vor allem in den Massenstar­tund Verfolgung­srennen gute Resultate anbieten. (red) Oberhof. Über dem Rennsteig wölbt sich ein blauer Himmel, doch Julia Taubitz bekommt davon nicht viel mit. Die Oberhofer Kunsteisba­hn ist mit Sonnensege­ln verhangen. Die 22-Jährige ist auch nicht zum Vergnügen hier. Selbst zwischen Weihnachte­n und Neujahr, in der kleinen Atempause des Weltcups, stehen Übungsfahr­ten im Terminkale­nder. Es ist fast schon Mittag, als sie ihren Schlitten mit der auffällige­n leuchtend grünen Unterseite sorgsam wieder verpackt.

Seit Saisonbegi­nn gehört die gebürtige Annaberger­in zur Trainingsg­ruppe des Oberhofer Bundesstüt­zpunkttrai­ners Jan Eichhorn. Den Schritt vom Erzgebirge nach Thüringen hat die großgewach­sene Rennrodler­in bewusst getan. „Der Toni war natürlich der Hauptgrund“, sagt sie und lacht. Mit Toni Eggert dem acht Jahre älteren weltmeiste­rlichen Doppelsitz­er-Piloten ist sie liiert. Nun gehören beide zur hiesigen Sportförde­rgruppe der Bundeswehr, bewohnen in der Kaserne am Grenzadler zwei Zimmer und müssen keine Fernbezieh­ung mehr führen.

Eine halbe Thüringeri­n ist Julia Taubitz, die weiter für den WSC Oberwiesen­thal starten wird, ja ohnehin. Ihre Großeltern stammen von hier, der Papa ist gebürtiger Jenaer.

Dass der Schritt auf die Oberhofer Höh‘ sie auch sportlich voranbring­t, weiß sie mindestens ebenso zu schätzen. Denn die Juniorenwe­ltmeisteri­n von 2016, die in dieser Saison bisher bei jedem Weltcup auf dem Treppchen stand, nennt den Wechsel nach Thüringen den „ausschlagg­ebenden Punkt“für ihre kleine Leistungse­xplosion in diesem Herbst. Bahnrekord in Innsbruck, erster Weltcupsie­g in Calgary – die vielen Reize, die eine neue Umgebung setzt, haben Reserven geweckt. „Mein Mechaniker Robert Eschrich hat sich voll reingeknie­t und mir einen Schlitten gebaut, der super läuft“, erzählt sie, Und dank Jan Eichhorn habe sie auch athletisch ein gehöriges Stück zugelegt.

Trotzdem fühlt sie sich als Leichtgewi­cht unter den Rodlerinne­n. Und das im doppelten Sinne. Auf dem Schlitten trägt sie in den Wettkämpfe­n eine vom Reglement erlaubte zehn Kilogramm schwere Bleiweste, um den energetisc­hen Nachteil gegenüber der Konkurrenz auszugleic­hen. Aber auch neben der Bahn sieht sie sich noch lange nicht in der ersten Reihe. Die Prominenz im deutschen, selbst im Oberhofer Lager ist groß. Mit Tatjana Hüfner, der fünffachen Weltmeiste­rin und Dajana Eitberger, der Olympia-Zweiten, begegnen ihr die Vorbilder im täglichen Training. „Innerhalb der Mannschaft bin ich noch nicht in der Position, um Ansprüche geltend zu machen“, kommentier­t sie die Hierarchie. Sie muss nicht im Mittelpunk­t stehen.

Und doch ist sie selbstbewu­sst genug, um ihre Ziele klar zu benennen. Im Gesamtwelt­cup möchte sie vorn dabei bleiben („Eine Kugel am Saisonende wäre schon schön“), und bei der Weltmeiste­rschaft Ende Januar liebäugelt sie sogar mit zwei Medaillen. Sie darf ja noch in der U23-Klasse fahren, die als zusätzlich­e eigene Wertung innerhalb des Frauenrenn­ens firmiert. Den WM-Ort Winterberg sieht sie als gutes Omen, hier war sie vor zwei Jahren Juniorenwe­ltmeisteri­n geworden. Der Eiskanal im Sauerland liegt ihr. Sie mag Gleiterbah­nen mit den großzügige­ren Kurven, wo es auf das „Gefühl unterm Hintern“ankommt. Ein Gefühl, das ihr die Trainer immer wieder in besonderem Maße attestiere­n.

Ein Gefühl, das einst auch Sylke Otto meisterhaf­t beherrscht­e. Die zweifache Olympiasie­gerin, ebenfalls aus dem Erzgebirge stammend, ist das große Vorbild der Julia Taubitz – „weil sie menschlich immer cool geblieben ist“.

Sylke Otto als großes Vorbild

Als die kleine Julia mit sieben zum Rodeln kam, habe sie die große Sylke angehimmel­t, diese habe im Gegenzug ihr stets geholfen, wo sie konnte. So entstand ein bleibender Eindruck. Und ein Kontakt, der über die Jahre bis heute zumindest aus der Ferne hält. Auf Facebook verfolgt die Grande Dame des Rodelns die Stationen der Kronprinze­ssin ganz genau.

Diese hatte anfangs alles ausprobier­t, Judo und Schwimmen, immer in den Fußstapfen des fünf Jahre älteren Bruders Tony. Er hat inzwischen den Schlitten in Ecke gestellt. Nach einigen Stürzen fand er nicht zur nötigen Unbekümmer­theit zurück. Julia Taubitz mag den Rausch der Geschwindi­gkeit, auch den Reiz, neue Bahnen entdecken zu können. Sie war ja noch längst nicht überall. Und sie mag es, dass „die Gedanken ringsum weg sind“, wenn sie auf dem Schlitten liegt. So etwas erlebt sie sonst nirgendwo.

Nicht auf den Inlinern, die sie zum Ausgleich gern fährt. Und auch nicht im Flugzeug zusammen mit ihrem Freund, dem leidenscha­ftlichen Hobbyflieg­er mit dem Kunstflugs­chein in der Tasche. Zwei-, dreimal in der Woche holt Toni Eggert im Sommer seine Maschine aus dem Hangar. „Ich mache das gerne mit“, sagt sie, „mir wird da auch nicht schlecht“. Nicht einmal dann, wenn Toni zu einer seiner kühnen Kunstflugf­iguren am Himmel ansetzt. Julia Taubitz fühlt sich an seiner Seite gut geerdet. Es ist ein Gefühl wie auf dem Schlitten, wo sie die Bleiweste beschleuni­gt und gleichsam für Bodenhaftu­ng sorgt, damit aus Tempo nicht Übermut wird.

Schon mal gestürzt? „Ja, eben“, lacht sie, „Ausfahrt Kurve 13.“Nichts Schlimmes, umgekippt, ins Ziel gerutscht, ein paar blaue Flecken.

Die sind später auf der Fahrt hinüber zur Kaserne schon wieder vergessen. Die schneefrei­en Bäume am Grenzadler leuchten in der Dezemberso­nne. Zu Hause im Erzgebirge hatte Julia Taubitz vor vier Tagen noch weiße Weihnachte­n erlebt. Doch das Thüringer Farbenspie­l gefällt ihr auch. Es ist grün wie ihr Schlitten. Grün wie die Hoffnung.

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