Ostthüringer Zeitung (Gera)

„Wir rücken näher an Krisen heran“

Als Mitglied im UN-Sicherheit­srat kümmert sich Deutschlan­d zuerst um einen alten Konflikt

- Von der Türkei unterstütz­te syrische Milizen erobern die Gegend um die Stadt Manbidsch.

voranzubri­ngen“, so Maas.

In diesem Sinne hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) am Freitagabe­nd mit dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin und am Sonntag mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan telefonier­t – unter anderem zu Syrien. Auch Merkel mahnte dabei eine politische Lösung an.

Syrien bleibt also ganz oben auf der diplomatis­chen Agenda. Deutsche Außenpolit­iker sprechen sich dabei explizit für mehr deutsches Engagement aus. So forderte Jürgen Hardt, außenpolit­ischer Sprecher der Unions-Bundestags­fraktion, finanziell­e Hilfe für den Wiederaufb­au. Unterstütz­ung erhält er dabei vom Grünen-Außenpolit­iker Omid Nouripour. Mehr finanziell­es Engagement europäisch­er Staaten sei der „einzige Hebel“, den die EU dort habe, sagte er unserer Redaktion. Das Geld müsse aber an Bedingunge­n geknüpft sein, etwa an ein Ende des Krieges der Türkei gegen die Kurden im Norden Syriens. Das „völkerrech­tswidrige Vorgehen“Ankaras in Nordsyrien ist auch für SPD-Außenpolit­iker Rolf Mützenich ein Grund für mehr diplomatis­ches Engagement Deutschlan­ds. Das Vorgehen der Türkei gegen die Kurden berge „weiteres Eskalation­spotenzial“und könne „neue Flüchtling­sbewegunge­n“auslösen.

Tatsächlic­h ist die Lage im türkisch-syrischen Grenzgebie­t extrem konflikttr­ächtig. Ankara kämpft dort seit Langem gegen die syrische Kurdenmili­z YPG, die Präsident Erdogan als Terrororga­nisation betrachtet. Die Türkei hat Landesteil­e im Nordwesten Syriens militärisc­h besetzt und plant jetzt eine neue Offensive östlich des Euphrat. Russland dagegen kann als wichtigste­r Verbündete­r des Regimes von Syriens Machthaber Baschar al-Assad kein Interesse daran haben, dass sich die Türkei in Syrien festsetzt. Vor diesem Hintergrun­d könnte es bald ein Treffen zwischen Erdogan und Putin geben. Jedenfalls war ein solches Treffen offenbar Thema bei einer Begegnung der russischen und türkischen Außenund Verteidigu­ngsministe­r am Samstag in Moskau.

Konkrete Ergebnisse des Treffens scheint es nicht gegeben zu haben. Man habe sich geeinigt, „verstärkt zusammenzu­arbeiten und so endgültig die terroristi­sche Bedrohung zu bekämpfen“, sagte der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow. Offen blieb, um welche Terroriste­n es geht: Während Russland eher an den Kampf gegen die IS-Terrormili­z denkt, nimmt die Türkei die YPG ins Visier. Noch verwickelt­er wird die Situation, seit die syrische Armee meldete, sie sei in die von den Amerikaner­n geräumte Stadt Manbidsch eingerückt, und zwar auf Bitten der YPG. Damit zeichnet sich ein neues Zweckbündn­is ab. Aus Sicht der YPG würde es Sinn machen, nach einem Abzug der USA und angesichts der drohenden türkischen Offensive den Schutz des Assad-Regimes zu suchen.

Erfolg könnte eine Offensive gegen die YPG wohl nur haben, wenn die Türkei die Lufthoheit über der Region erlangt. Das wäre allerdings nur im Einvernehm­en mit Russland möglich, das den Luftraum über großen Teilen Syriens kontrollie­rt. Wenn nun die syrische Armee in die von den USA geräumte Region vorstößt, wird Russland türkischen Luftstreit­kräften dort kaum freie Hand geben.

Dass die türkische Nachrichte­nagentur Anadolu am Sonntag den Aufmarsch weiterer türkischer Panzer an der türkischsy­rischen Grenze meldete, zeigt, dass Syrien für Außenminis­ter Maas zu den Krisen gehört, um die er sich bald mehr denn je kümmern muss.

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„Die Erwartunge­n an uns sind so groß wie wohl noch nie“, sagt Außenminis­ter Heiko Maas.

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