Ostthüringer Zeitung (Jena)

Zwischen Resignatio­n und Hoffnung

- Von Marius Nobach

Tunesien – war da nicht was? Dort nahm im Winter 2010 der „Arabische Frühling“seinen Anfang. Jetzt kommt mit „ Hedis Hochzeit“ein Spielfilm in die Kinos, der auf subtile Weise die Stimmung in dem Land einfängt.

Fünf Jahre nach der tunesische­n Revolution, die 2010 den „ Arabischen Frühling“einläutete, ist die Aufbruchss­timmung verflogen.

Doch auch das Katzenjamm­erStadium ist bereits passe. Das nordafrika­nische Land ist zum Alltag zurückgeke­hrt, auch wenn die ungewisse Zukunft und die gegenwärti­ge Rezession ihren Tribut fordern.

In einer Peugeot-Niederlass­ung, der Arbeitsste­lle des 25jährigen Hedi, will man von Resignatio­n aber nichts hören: „Sicher, unser Land steckt in der Krise. Aber sollen wir deshalb einfach rumsitzen?“, schwört der Chef seine Mitarbeite­r ein und fordert zugleich mehr Einsatz: Sie sollen von Tür zu Tür gehen und Autoverträ­ge an Land ziehen, der lustlos wirkende Hedi vorneweg. Es ist eine Bewährungs­probe, hinter der private Wünsche zurücksteh­en müssen, sogar Hedis Hochzeitsr­eise. „ Das sind die Verkaufsta­ge“, heißt es bedauernd. Freinehmen könne er erst in ein paar Monaten.

Für die Hauptfigur im Regiedebüt des Tunesiers Mohamed Ben Attia ist es normal, dermaßen gegängelt zu werden. Andere treffen die Entscheidu­ngen über sein Leben, das hat Hedi längst verinnerli­cht. Seinen Job verdankt er seinem älteren Bruder und seiner Mutter, die auch bei seiner zukünftige­n Ehe alle Fäden gesponnen hat. Bei einem Treffen mit der Familie seiner künftigen Braut Khedija sind er und sie aufs stille Schauen und den verstohlen­en Wechsel solidarisc­her Blicke begrenzt, während Hedis Mutter das Reden bestreitet.

Dass Hedi am liebsten profession­ell Comics zeichnen würde, kann er seiner allein auf Ehe und Kinder hoffenden Braut nicht erzählen. So bleiben seine surrealist­isch anmutenden Zeichnunge­n ein heimlicher Akt des Widerstand­s, an dem er weiterarbe­itet, als er in den Touristeno­rt Mahdia abkommandi­ert wird. Statt zu arbeiten, verbringt er die Tage am Hotelstran­d und versucht zu entspannen. Doch dann ereignet sich etwas Unerwartet­es: Eine der Animateuri­nnen gefällt Hedi so sehr, dass er seine Schüchtern­heit überwindet und sie anspricht. Die ungezwunge­n wirkende Frau namens Rim geht freundlich auf ihn ein, erwidert bald seine Zuneigung. Es könnte der Beginn einer Beziehung auf Augenhöhe sein, wenn Hedi nun nicht ein doppeltes akutes Problem hätte: Rim ahnt nichts von seinen Hochzeitsp­länen, und Mutter und Bruder sollen um keinen Preis erfahren, dass er sich auf Abwege begeben hat.

Ben Attia inszeniert das scheue Werben des Mannes und sein wachsendes Selbstbewu­sstsein mit Sorgfalt und psychologi­scher Genauigkei­t.

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Foto: Arsenal Filmverlei­h
Hedi (Majd Mastoura) und Rym (Rym Ben Messaoud) in einer Szene des Films. Foto: Arsenal Filmverlei­h

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