Klage gegen Zwangszuweisung von Patienten
Weimar/Gotha. In Thüringen muss sich erstmals ein Gericht mit der Frage beschäftigen, ob ein niedergelassener Arzt die Aufnahme von Patienten in seiner Praxis verweigern darf.
Vor dem Sozialgericht Gotha klagt ein Augenarzt aus Ostthüringen gegen die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die dem Mediziner Patienten zwangsweise zugewiesen hatte. Zuvor hatten diese Patienten vergeblich versucht, einen Termin in der Praxis zu erhalten.
Der Mediziner hält die Zwangszuweisung für unrechtmäßig. Hintergrund ist die Misere bei Augenarztterminen in Thüringen. Viele Praxen nehmen keine Patienten an und begründen dies in der Regel mit Überlastung. Den Ostthüringer Augenarzt hatte die KV deshalb 2014 zur Aufnahme neuer Patienten verpflichtet.
Nach Angaben von Gerichtssprecher Jens Petermann muss in dem Rechtsstreit geklärt werden, ob die KV „einem Facharzt Patienten zuweisen durfte und damit eine Verpflichtung zur Behandlung bestand“. Eine Entscheidung werde voraussichtlich bis Jahresende fallen. Ein vergleichbarer Fall in Deutschland ist den Gothaer Sozialrichtern bisher nicht bekannt.
Die KV ist die Interessenvertretung der niedergelassenen Ärzte und als Körperschaft des öffentlichen Rechts dafür verantwortlich, dass die ambulante ärztliche Versorgung jederzeit sichergestellt ist. Niedergelassene Ärzte sind KV-Pflichtmitglieder. In dem Verfahren muss geklärt werden, ob auch eine Zwangszuweisung von Patienten an freiberufliche Ärzte – die faktisch selbstständige Unternehmer sind – durch diesen Sicherstellungsauftrag gedeckt ist. Ob das Urteil in dem Fall auch Auswirkung für die Zukunft haben wird, ist nach Angaben von Petermann derzeit unklar. Die entsprechenden Rechtsgrundlagen könnten sich möglicherweise zwischenzeitlich geändert haben, sagte er. Die KV wollte sich unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Rechtsstreit äußern.
Die seit Jahren massiven Engpässe bei Augenarztterminen in Thüringen hängen laut KV vor allem mit dem überdurchschnittlichen Anteil älterer Patienten zusammen. Bei ihnen treten entsprechend viele altersbedingte Augenerkrankungen auf. Zudem spezialisieren sich viele Augenärzte auf für sie attraktive innovative Therapiemöglichkeiten, die etwa Altersblindheit bremsen können, wie die KVVorsitzende Annette Rommel kürzlich sagte. Darunter leidet die klassische Grundversorgung wie die Prüfung der Sehkraft.
Um Abhilfe bei Facharztterminen zu schaffen, wurden zu Jahresbeginn bundesweit Terminservicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eingerichtet. In Thüringen dominieren bei den Anfragen an die Vermittlungsstelle Bitten um Augenarzttermine.
Dass Ärzte Patienten abweisen, ist Alltag. Eine Frage vor Gericht ist nun, ob die Kassenärztliche Vereinigung die Praxen auch gegen deren Willen zur Aufnahme neuer Patienten verpflichten darf. Seit Jahren Engpässe bei Augenarztterminen