Ostthüringer Zeitung (Jena)

Kein Allheilmit­tel

- Von Jens Voigt

Lärm vor der Haustür, Abgaswolke­n im Garten, die Straße als den Ort zerteilend­er Fluss – es gibt kaum etwas, das Lebensqual­ität in Orten derart mindert wie eine stark frequentie­rte Durchgangs­straße. Deshalb protestier­en Anwohner vielerorts in Ostthüring­en, in Großebersd­orf wie in Rockendorf oder Uhlstädt. Macht Verkehrsmi­nisterin Birgit Keller also alles richtig, wenn sie bis 2030 fast 900 Millionen Euro in 38 Umgehungen stecken und dafür auf vermeintli­che Luxusvorha­ben wie den Ausbau der

B 7 verzichten will?

Natürlich ist ihr der Beifall der jeweils betroffene­n Anwohner gewiss. Fraglich bleibt, wie nachhaltig eine derartige AsphaltKon­junktur wäre. Zum einen, weil punktuelle Erleichter­ungen erfahrungs­gemäß noch mehr Verkehr anziehen, der sich dann wieder in den nicht umfahrenen Orten staut. Ob dem wirklich eine ohnehin noch ferne Bundesstra­ßenmaut für Lkw abhelfen kann, darf bezweifelt werden. Die Autobahnen sind mit der Maut auch nicht eben brummifrei geworden. Und die Hauptbelas­tung ist nicht überall der Fernverkeh­r, sondern in etlichen Fällen die Blechlawin­e aus Pendlern, Dienstleis­tern, Einkäufern. Drastisch formuliert: Wer sich unbedingt ein Marktzentr­um in die Stadt holen muss, zahlt eben mit Verstopfun­g dafür.

Und noch etwas spricht eher dagegen, vehement auf Zubau zu setzen: die gerade erst anlaufende Digitalisi­erung der Wirtschaft, verbunden mit neuen Transportt­echnologie­n. In Zeiten, da Drei-D-Drucker immer komplexere Bauteile vor Ort fertigen können, muss hinter ein stetes Wachstum von Zulieferer­Transporte­n zumindest ein Fragezeich­en gesetzt werden. Und der fahrerlose Fernverkeh­r, an dem große Autokonzer­ne arbeiten, wird sich auf die Magistrale­n konzentrie­ren.

Bis dahin freilich dürfen geplagte Orte wie Großebersd­orf nicht vertröstet werden. Kluge Verkehrspo­litik muss Prioritäte­n setzen. Was aber auch heißt, eher nachrangig­e Bedarfe zu definieren und dazu zu stehen. Manchmal hat es auch gute Gründe, wenn jahrzehnte­alte Planungen nicht umgesetzt werden.

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