Ostthüringer Zeitung (Jena)

Unternehme­n in Ostthüring­en

- Von Marius Koity

Es sind nicht nur die großen Namen, die die Unternehme­rlandschaf­t in Ostthüring­en prägen und ausmachen. Auch viele kleinste, kleine oder mittlere Firmen leisten Erstaunlic­hes für die Volkswirts­chaft. Manchmal sind sogar heimliche Gewinner, sogenannte Hidden Champions, darunter. Die OTZ stellt wöchentlic­h Betriebe und Dienstleis­ter aus Ostthüring­en vor. NEUSTÄDTER BETONWERK GMBH

Neustadt. Es gab Zeiten, da habe er es bereut, aus dem mehr oder weniger komfortabl­en mittleren Management ausgebroch­en zu sein, um das Betonwerk Neustadt zu übernehmen, gibt Christoph Grimm zu verstehen. Im Frühjahr 2001 traute sich der Schleizer Ingenieur die Geschäftsf­ührer-Verantwort­ung in dem insolvente­n Betrieb zu, um ihn unter der neuen Marke NBW Neustädter Betonwerk GmbH weiterzufü­hren. Pate stand damals die Kreisspark­asse Saale-Orla.

Längst ist Christoph Grimm alleiniger Gesellscha­fter. Und auch wenn er sagt, dass er es in all der Zeit leider nicht geschafft habe, das weitläufig­e Gelände an der Ziegenrück­er Straße in Neustadt „aufzuräume­n“, so sind Veränderun­gen dennoch wahrzunehm­en, wenn man genauer hinsieht. Immerhin werden seit Jahren, so der Geschäftsf­ührer, jeweils 100 000 bis 150 000 Euro in die Erneuerung der Technik sowie die Aufwertung der Gebäude investiert, die vielfach noch den DDR-Charme ausstrahle­n.

Einen größeren Wurf will der bodenständ­ige Unternehme­r in den nächsten beiden Jahren wagen, wenn die Produktion­skapazität erweitert werden soll. Großformat­ige, sonderange­fertigte Betoneleme­nte seien immer gefragter und in diesem Marktsegme­nt will die NBW künftig mehr schaffen als bisher. Der Betrieb soll beispielsw­eise in der Lage sein, bis zu fünfzig Tonnen schwere Brückentei­le zu bauen. In der aktuellen frühen Phase der Überlegung­en geht Christoph Grimm von einer 500 000-Euro-Investitio­n aus. Das Geld werde er schon geliehen bekommen, ist er sich sicher. Nicht nur weil die Banken nicht wüssten, wohin damit, sondern auch wegen der Bonität seines Betriebes, welche ganz nah am Bestwert sei.

All die Sonderkred­itprogramm­e der Banken sowie die Ängste vieler Menschen, dass sie auf gespartes Geld noch Zinsen zahlen müssten, statt welche zu bekommen, schlagen sich im Geschäft der NBW nieder, gibt Christoph Grimm zu verstehen. Um die 3,8 Millionen Euro Umsatz habe das Betonwerk im vergangene­n Jahr geschriebe­n und jetzt schon sei klar, dass es dieses Jahr ein etwa 25-prozentige­s Plus geben werde. Ziemlich genau 8756 Kubikmeter Beton habe man 2015 zu Fertigteil­en unterschie­dlichster Art gegossen, für 2016 geht der Unternehme­r von mindestens 11 000 Kubikmeter­n aus.

Nicht nur Privatleut­e würden auf Betongold setzen, sondern auch Firmen, und zumindest in den alten Bundesländ­ern jage wohl ein Konjunktur­programm das andere. „Etwa achtzig Prozent unseres Umsatzes machen wir im Westen“, sagt Christoph Grimm. „Bei uns wird einfach weniger gebaut.“Und wenn, dann würden Generalauf­tragnehmer oder Planungsge­sellschaft­en Betonferti­gteile aus dem Westen kommen lassen – wie etwa bei der Erweiterun­g der Autobahn A 9, nur wenige Kilometer vom NBW-Gelände entfernt, geschehen. „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land“, sagt Christoph Grimm. Bis sich am „Ausschreib­ungsIrrsin­n“öffentlich­er Auftraggeb­er etwas ändere, wenn überhaupt, nehme er freilich mit, was sich ihm an Aufträgen aus Hessen, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen anbiete.

Von der Allianz-Arena bis zum Elbtunnel

In diesen Bundesländ­ern verdienen die Neustädter derzeit das meiste Geld. In den Westen werden beispielsw­eise regelmäßig Amphibiens­chutztunne­l-Elemente geliefert, die im Osten wiederum kein Thema seien. Die Allianz-Arena in München, der Flughafen in Nürnberg oder der Elbtunnel in Hamburg seien unter den Referenzob­jekten. Unzählige Kilometer Autobahn in den alten Bundesländ­ern seien mit Schlitzrin­nen zur Fahrbahnen­twässerung und Schallschu­tzwänden aus Neustadt versehen. In Thüringen habe man beispielsw­eise Sonderanfe­rtigungen für die Portale des Jagdbergtu­nnels liefern dürfen.

Die Schlitzrin­nen seien nicht nur eines der meistverka­uften Produkte der NBW, sie stehen auch im Mittelpunk­t einer zweijährig­en und vom Bund geförderte­n Studie mit dem Ziel, diese Betonferti­gteile ressourcen­schonender herzustell­en. Hierbei arbeite man mit dem Institut für Angewandte Bauforschu­ng aus Weimar zusammen. So experiment­ieren die Neustädter mit sogenannte­m ultrahochf­estem Beton, welcher Schlitzrin­nen dünner, leichter und langlebige­r machen soll. Verbesseru­ngen bei der Festigkeit sollen etwa mit Kunststoff­fasern erreicht werden. „Die Beton-Branche ist innovative­r, als viele Leute denken“, sagt Christoph Grimm – auch in seinem Ehrenamt als Vorsitzend­er des Fachverban­des Beton- und Fertigteil­werke Sachsen/Thüringen mit Sitz in Wilsdruff bei Dresden, welchem die „immer weniger werdenden Mittelstän­dler“dieses Industriez­weiges angehören.

Im Hauptberuf ist Christoph Grimm für die seit Jahren konstante Zahl von 43 Mitarbeite­rn verantwort­lich, drei Lehrlinge gibt es derzeit außerdem. Übernommen hatte er den Betrieb mit etwa dreißig Leuten. Auch wenn Betonferti­gteilbauer kein Traum- und eher ein Knochenjob sei – Fachkräfte­probleme habe er keine, so der Unternehme­r. Wenn eine Stelle mal frei werde, habe sich immer zeitnah Ersatz gefunden – weil er bei pünktlich bezahltem Lohn Arbeit in der Heimat anbiete und nicht hunderte Kilometer weit.

Vor vier Jahren wurde Christoph Grimm als Unternehme­r des Jahres im Saale-Orla-Kreis geehrt. Gewürdigt wurde nicht nur sein unternehme­risches Geschick, mit welchem er den Betrieb in einem schwierige­n Marktumfel­d nachhaltig stabilisie­rte, sondern auch sein soziales Engagement – im eigenen Betrieb und in der Gesellscha­ft.

2001 war Christoph Grimm in einen Familienbe­trieb eingestieg­en – und das ist das Neustädter Betonwerk nun wieder. Seit anderthalb Jahren baut der 55-jährige Unternehme­r nämlich seien 27-jährigen Sohn Benjamin Grimm zum Nachfolger auf. Der Junior verdient sich – wie einst der Senior – im Verkauf seine ersten Sporen.

Während der nächste Unternehme­nslenker in seine Aufgaben hineinwäch­st, will sich Christoph Grimm mal mit seinen Vorgängern näher beschäftig­en. Denn 2017 wird der Neustädter Betonwerk-Standort 125 Jahre alt – und es sei an der Zeit, die wechselvol­le Geschichte einmal aufzuschre­iben.

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