Ostthüringer Zeitung (Jena)

Eine Lebensgesc­hichte voller Charme, Musik und Witz

- Von Ulrike Merkel

Rudolstadt. Markus Seidenstic­ker räkelt sich exaltiert auf der Bühne. Seine Darbietung erinnert entfernt an Ausdruckst­anz, allerdings in der Version eines Bewegungsi­dioten. Dazu ruft der Schauspiel­er katzenjamm­ernd „Eiropa…“, „Eiropa…“.

Diese Szene ist das humorvolle i-Tüpfelchen des gewitzten Schlagerab­ends „Das muss ein Stück vom Himmel sein“, der am Samstag im Theater Rudolstadt Premiere hatte. Das Stück ist Steffen Menschings Verbeugung vor dem großen, namentlich aber in Vergessenh­eit geratenen Komponiste­n Werner Richard Heymann, der in den 20ern Schlagerhi­ts schuf wie „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“, „Das gibt’s nur einmal, (das kommt nie wieder)“oder „Ein Freund, ein guter Freund“.

Auch für Georg Kaisers Tanzspiel „Eiropa“, pardon! „Europa“schrieb Heymann die Schauspiel­musik. Dass sich die Uraufführu­ng des Stücks jedoch zum Theaterska­ndal auswuchs, liegt weniger an den Kompositio­nen als an den Begleitums­tänden. Im 3000 Zuschauer fassenden Großen Schauspiel­haus in Berlin fällt schon beim Einlass das Licht aus. Um 20 Uhr, die Inszenieru­ng hat noch nicht begonnen, wird im Theater das 8-Uhr-Abendblatt verkauft. Die Titelzeile lautet: „Georg Kaiser wegen Diebstahl verhaftet“. Der Theateraut­or habe seiner Wirtin Silber, Teppiche und Geld entwendet. Obendrein sorgt die Inszenieru­ng selbst für Irritation­en, wozu auch die „Eiropa“-Szene beiträgt. Der Schauspiel­er kann einfach kein „eu“ ausspreche­n.

Dieses Fiasko hält den jungen deutsch-jüdischen Komponiste­n Heymann allerdings nicht auf seinem Weg zum Ruhm auf. Bald schreibt und arrangiert er Filmmusike­n für Stummfilme, mit Start des Tonfilms dann Schlager für die Straßenfeg­er der Ufa, darunter „Die Drei von der Tankstelle“.

Autor und Regisseur Mensching lässt die Lebensgesc­hichte Heymanns von vier Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern erzählen. Sie alle sind Heymann. Sie fallen sich ins Wort, erinnern sich mitunter unterschie­dlich, ergänzen sich aber stets geistreich. Unterbroch­en wird der launige Erzählflus­s von Heymanns Schlagern, die die Vier mit beeindruck­endem Einfühlung­svermögen und stimmliche­r Sicherheit als Soli, im Duett oder Quartett singen. Und wenn die Stimme mal nicht ganz so will, dann wird daraus gleich ein Witz kreiert, wie beim feurigen „In Hamburg und Lübeck und Bremen“aus dem Filmklassi­ker „Professor Unrat“. Als Seidenstic­ker an einer Stelle die Luft fehlt, setzt er kurz aus, atmet ein, und weiter geht’s. Das Publikum quittiert‘s mit einem Lachen.

Zu den musikalisc­hen Highlights zählen auch Marie Luise Stahls süß-trauriges Lied „Die kleine Stadt“, Laura Bettingers sinnliche Interpreta­tion „Irgendwo auf der Welt (gibt‘s ein kleines bisschen Glück)“und natürlich die großen Hits „Ein Freund, ein guter Freund“und „Das gibt’s nur einmal“.

Die Thüringer Symphonike­r begleiten den Abend mit viel Verve, so dass man das Theater am Ende leichter Stimmung verlässt. Und das, obwohl Heymanns Biografie durchaus auch bittere Passagen bereithält: Den Verlust des Bruders im Ersten Weltkrieg, die Emigration 1933, die Einsamkeit als Flüchtling in einer fremden Welt, die ernüchtern­de Rückkehr 1951. Insofern erzählt Mensching auch einiges über deutsche Geschichte, ohne aber dabei die positive Grundstimm­ung des Abends aufzulösen.

Das Motto „wärdochgel­acht“sei nach Meinung des Berliner Schauspiel­ers und Regisseurs sehr gut angenommen worden und inhaltlich aufgegange­n. „Mit unseren Aufführung­en haben wir nicht nur dem Humor eine Bühne gegeben, sondern auch den Mut vermitteln können, dass es sich immer lohnt, sich auch schwierige­n Aufgaben zu stellen und diese zu meistern“, sagt Heesch. Großes Lob findet er für das durchgängi­g hohe Niveau der Werkstattp­roduktione­n, für die seit Sommer rund 80 Amateure im Alter zwischen fünf und 95 Jahren gemeinsam mit renommiert­en Theaterleu­ten aus ganz Deutschlan­d gearbeitet haben.

Zu den Höhepunkte­n des Festivals gehörten unter anderem die Gastspiele „Klasse Klasse“des Berliner Theaters Strahl, „the substitute“mit der Wiener Clownfrau Anna de Lirium oder „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“der Dresdener Theatergru­ppe Spielbrett. Anspruchsv­olle und zum Nach- und Weiterdenk­en anregende Theatererl­ebnisse schenkte das Festival seinen Gästen aber gleichfall­s mit seinen Eigenprodu­ktionen. Übrigens, der Greizer Theaterher­bst ist für den diesjährig­en Thüringer Engagement­preis nominiert.

Rudolstadt­s Intendant Steffen Mensching entwirft mit „Das muss ein Stück vom Himmel sein“einen kurzweilig­en Schlagerab­end über den Komponiste­n Werner Richard Heymann. Der Premierena­pplaus ebbt am Samstag lange nicht ab. Schauspiel­er überzeugen auch mit Gesang

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