Ostthüringer Zeitung (Jena)

Gaulands doppeltes Eigentor

Politikbeo­bachter Stephan-Götz Richter über den Machtkampf in der AfD, den stramm rechten Kurs und die CDU als Nutznießer

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ihre Wahlstimme einem rechtsradi­kalen Wahlverein zu übertragen. Auch wenn Alice Weidel, die neue Frontfrau, bemüht sein wird, dem Schwein Lippenstif­t aufzutrage­n, um das herrliche englischsp­rachige Bild „to put lipstick on a pig“aufzugreif­en: Bei der nun auf stramm rechten Kurs gebrachten AfD kann es ja bezüglich der politisch anrüchigen Orientieru­ng beim besten Willen für keinen Menschen mehr irgendeine­n Zweifel mehr geben.

Ganz so, wie der AfD-Wahlverein einen strammen Marsch nach rechts – im wesentlich­en „heim ins Reich“– vollzieht, so wird sich ein erhebliche­r Teil derer, die sich in Meinungsum­fragen bisher zur AfD bekannten, nun in eine Richtung andere Richtung bewegen. Sie werden „heim zu Mutti“gehen, soll heißen, wenn auch mit großem Zähneknirs­chen Merkel im September die Stimme geben.

Denn unter den aktuellen Vorzeichen noch AfD zu wählen, das hat nun für die meisten Menschen, sogar im konservati­ven Lager, unzweifelh­aft etwas enorm Anstößiges an sich. Frauke Perty war da ein wichtiger Schutzschi­ld. So lange sie oben stand, konnte man diese dunklen Gedanken wegwischen.

Warum lässt die AfD sich auf einen solchen selbstzers­törerische­n Kurs ein? Dies gilt umso mehr, als Alexander Gauland bekannterm­aßen einen abgrundtie­fen Hass auf die CDU, seine alte Partei, hat.

Da verbietet es sich ja eigentlich, der CDU Wähler in die Arme treiben zu wollen. Auch müsste man eigentlich davon ausgehen, dass Männer wie Alexander Gauland und Jörg Meuthen als Politiker ja auch Machtmensc­hen sein sollten. Dass sie nun den scharfen Rechtsruck vollzogen haben, kann ja nicht allein auf der Tatsache basieren, dass sie es in ihrem Selbstvers­tändnis nicht länger ertrugen, mit einer schwarz- (und nicht standesgem­äß blond-)haarigen Frau als Vorsitzend­e der AfD die öffentlich­e Bühne teilen müssen.

Das offiziell vorgetrage­ne Argument, Fundamenta­loppositio­n machen zu wollen und sich in keiner Weise auf eine Zusammenar­beit mit den „Systempart­eien“einzulasse­n, hat im deutschen historisch­en Zusammenha­ng (mit Blick auf die 1920erund 1930er-Jahre) bestenfall­s etwas hoch Befremdlic­hes an sich. Darauf zu warten, bis sich das Volk auf die AfD als neue Mehrheitsp­artei Deutschlan­ds einschwört, ist ebenso naiv wie weltfremd. Unter anderem verkennt es die Fähigkeit der Volksparte­ien, wenn auch spät, dem Volk aufs Maul zu schauen.

Gauland und Meuthen sind von ihrem Intelligen­zgrad her alles andere als dumm. Daher sollten sie eigentlich auch klug genug sein, um zu sehen, dass die von ihnen nun vollzogene Wende nach stramm rechts keineswegs dem Stimmenfan­g dient.

Ihr vermeintli­cher Schachzug, Frauke Petry im Wam-BamStil abzufertig­en, hat einen großen Preis. Das Votum auf dem Kölner Parteitag verdeutlic­ht, wie stark die AfD inzwischen von vielen Ultrarecht­en vereinnahm­t worden ist. Diese sind bislang im Windschatt­en von NPD, DVU et cetera gesegelt, outen sich nun aber immer unverschmi­nkter. Hingegen hat sich für die AfD der Zulauf vonseiten der CDU- und SPD-Wähler spürbar vermindert.

Gauland und Meuthen haben dies erkannt und sich im parteiinte­rnen Streit gegen Petry deshalb entschloss­en, zum Sprecher der Ultrarecht­en zu werden. Was sie dabei verkannt haben, ist, dass sie in dem Band, was sich von Bernd Lucke zu Petry spannt, die Nächsten sein werden, die man abserviere­n wird.

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