Wölfin in Ohrdruf lebt gefährlich
Blindgänger machen das Areal riskant
Erfurt. Während derzeit rund um den Truppenübungsplatz Ohrdruf zahlreiche Fotofallen installiert werden, bleibt das Treiben der Wölfin auf dem Armeegelände wohl weiterhin ein großes Geheimnis. Zwar gibt es auf dem knapp 5 000 Hektar großen Armee-Areal ebenfalls Tierkameras, deren genaue Anzahl sowie auch die Auswertung der aufgenommenen Fotos sind jedoch Verschlusssache.
Dabei häufen sich gerade in dem Gebiet die Angriffe auf Schafe und Ziegen. Seit Juli fielen der Thüringer Wölfin bereits 70 Tiere zum Opfer.
Verantwortlich für das Armeegelände ist indes die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Die Behörde in Bonn teilte auf Anfrage mit, dass man aus Sicherheitsgründen keine detaillierten Auskünfte zum Wolf geben könne. Die Fotos seien Verschlusssache.
Doch warum macht man aus einer Tierbeobachtung ein solches Geheimnis? Schließlich wurde der Übungsplatz ja bereits im Juni 2015 offiziell als erstes Wolfsgebiet Thüringens ausgewiesen. Dieses umfasst einen Radius von etwa 30 Kilometern – einschließlich des ArmeeAreals. Tierhalter in dieser Gegend bekommen vom Land deshalb finanzielle Hilfen für Schutzvorrichtungen wie Zäune oder Hunde.
Der Grund: Die Sowjetarmee, die das Gelände bis 1991 nutzte, hatte ein riesiges Arsenal an Panzern, Raketen und Munition zusammen gezogen, um für einen Schlag gegen die Nato gerüstet zu sein.
Auch für Thüringens bislang einzige Wölfin ist der Truppenübungsplatz nicht ganz ungefährlich – warnt jedenfalls die BImA: „Ein Tritt auf einen Blindgänger kann den Zündmechanismus auslösen und zur Detonation führen“, heißt es.
Weitaus gefährlicher aber seien die Blindgänger allerdings für jene Menschen, die Canis lupus illegal beobachten wollen. Deshalb ist und bleibt das Areal Sperrgebiet. (pr) Erfurt. Anja Müller (Linke) ist Landtagsabgeordnete und in ihrer Fraktion Sprecherin für Petitionen und Bürgerbeteiligung. Aus dem Ergebnis der Bundestagswahl schlussfolgert sie, die Gesellschaft sei in einigen Fragen „tief gespalten wie nie“.
Das Aussitzen von Problemen sei abgestraft worden, sagt sie. Dazu zählt Müller auch die Forderung nach mehr Mitbestimmung. Der Thüringer CDU wirft sie vor, das Thema Volksbegehren gegen die rot-rot-grüne Landesregierung „instrumentalisiert“zu haben. Wer mehr Demokratie wolle, müsse das Finanz-Tabu aus der Landesverfassung tilgen.
Ist das so? Zunächst bleibt festzuhalten, dass es nicht die CDU, sondern die Landesregierung war, die am 12. Januar 2017 beim Verfassungsgerichtshof in Weimar beantragte, das Volksbegehren „Selbstverwaltung für Thüringen“für unzulässig zu erklären. Der gleichnamige Verein mit Sitz im Saale-HolzlandKreis hatte die erste Hürde erfolgreich übersprungen und weit über 40 000 gültige Unterstützer-Unterschriften gesammelt. Das vom Landtag schon beschlossene Vorschaltgesetz zur Gebietsreform schien durch einen Akt der Volksgesetzgebung ernsthaft in Gefahr zu geraten. Die Klage hatte einen Stopp des Volksbegehrens zur Folge.
Dem Volksbegehren kam der Gegenstand abhanden
Dann geschah Merkwürdiges. Der Verfassungsgerichtshof entschied zunächst eine Klage der CDU-Landtagsfraktion und erklärte das Vorschaltgesetz mit Urteil vom 9. Juni für nichtig. Wegen eines Formfehlers in der parlamentarischen Beratung. Damit hatte sich auch der Gegenstand des Volksbegehrens quasi in Luft aufgelöst. Die Regierung nahm folgerichtig ihre Klage gegen das Volksbegehren zurück. Dennoch kam es am 14. Juni zur mündlichen Verhandlung, in der sich die Richter sehr dafür interessierten, weshalb das Volksbegehren angeblich gegen die Landesverfassung verstoßen haben sollte. Alles sah auch in dieser Streitfrage nach einem Urteil aus.
Aber es gab keines. Am 6. September entschied der Verfassungsgerichtshof mit 6:3 Richterstimmen, das Verfahren sei einzustellen. Die Mehrheit war der Meinung, es bestehe kein öffentliches Interesse mehr an einer Fortführung. Und nach Lage der Dinge sei auch nicht damit zu rechnen, dass es zeitnah ein neues Volksbegehren mit im Wesentlichen gleichem Inhalt gibt. Wiederholungsgefahr komme also auch nicht in Betracht.
Verfassungsrichter Walter Bayer sieht das anders. Die Landesregierung beabsichtige nach wie vor eine Gebietsreform, und der Verein „Selbstverwaltung für Thüringen“habe wiederholt angekündigt, neue Gesetze dazu den Bürgern wiederum zur Abstimmung stellen zu wollen, führt der Rechtswissenschaftler der FSU Jena in einem Sondervotum zum Einstellungsbeschluss aus. Der umfangreiche Text ist auf dem Internetportal des Verfassungsgerichtshofs unter „Entscheidungen“zu finden. Er lohnt die Lektüre.
Denn der Autor hätte gern auch in der Sache entschieden. Nicht nur, weil eine Wiederholung des Vorgangs Gebietsreformgesetz – Volksbegehren dagegen – Klage der Regierung gegen das Volksbegehren denkbar, ja sogar wahrscheinlich ist. Und nicht nur, weil aufgrund des langen Verfahrensweges eine Gebietsreform Fakten schaffen kann, bevor ein Volksbegehren, das dagegen ist, überhaupt am Ziel wäre. Sondern auch deshalb, weil Bayer das jüngste Volksbegehren für rechtmäßig gehalten hat. Trotz des Finanz-Tabus in der Thüringer Verfassung.
Es steht in Verfassungsartikel 82., Absatz 2. Demnach sind „Volksbegehren zum Landeshaushalt (...) unzulässig. Die Landesregierung argumentierte, im Falle eines Erfolges hätte sie die 155 Millionen Euro, die für Strukturbeihilfen und Neugliederungsprämien vorgesehen sind, nicht ausgeben können. Mithin sei das Volksbegehren „haushaltswirksam“gewesen.
Walter Bayer führt anhand einschlägiger Entscheidungen aus Bayern, Bremen, NRW, Schleswig-Holstein und auch Thüringen aus, dass der Finanzvorbehalt eben kein absolutes Tabu für die direkte Demokratie aufbaut und nie aufgebaut hat. Die Verfassungsregelung habe vielmehr den Zweck, den parlamentarischen Gesetzgeber vor gezielten Eingriffen in den Haushalt zu schützen. Eingriffe, die das Parlament dann finanzpolitisch unter Zugzwang setzen würden.
Das Volksbegehren „Selbstverwaltung für Thüringen“habe aber keineswegs zum Ziel gehabt, in das Budgetrecht des Parlaments einzugreifen. Es habe vielmehr objektiv das sachpolitische Anliegen verfolgt, den Status quo zu erhalten, also weder eine Mehrung von Ausgaben noch eine Einsparung von Ausgaben bezweckt. Es habe nicht einmal jedwede Gebietsreform verhindern wollen. Sondern allein jene nach den Vorstellungen und Prämissen des Vorschaltgesetzes. Den Argumenten der Landesregierung sei also nicht zu folgen.
Wohlgemerkt: So lautet sehr verkürzt das Sondervotum, nicht das Urteil des Verfassungsgerichtshofs. Er hat kein Urteil abgegeben. Aber Verfassungsrichter Bayer war in diesem Verfahren der Berichterstatter. Das heißt, er hat zusammen mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Gerichts eine Entscheidung vorbereitet. Das Arbeitsergebnis gibt indirekt den Grünen recht, die anders als Linke und SPD nicht gegen das Volksbegehren klagen wollten.