Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Polnische Behörde bremst Ostsee-Gasleitung
Brüssel. Einmal hat es schon geknallt wegen Nord Stream 2, und geht es nach Angela Merkel, soll das nicht nochmal passieren. Im Dezember gerieten die Kanzlerin und ihr italienischer Kollege Renzi auf dem EU-Gipfel aneinander.
Renzi empörte sich über einen Fall von Ungleichbehandlung: Ungerührt treibe die Bundesrepublik den Ausbau der russischen Gaslieferungen auf der Nordroute voran, obwohl die für Italien interessante südliche Variante South Stream wegen EU-Bedenken hatte abgesagt werden müssen. Merkel bemühte sich, die Sache zu entpolitisieren. Nord Stream 2 sei „ein wirtschaftliches Projekt“und müsse als solches ganz nüchtern auf Vereinbarkeit mit den Vorschriften geprüft werden. Wenn es so einfach wäre.
Denn längst hat sich herausgestellt, dass die Methode Merkel – Geschäft ist Geschäft, Politik ist was ganz anderes – kein Patentrezept ist. Bei Nord Stream 2 stecken die Rechtsfragen voller Politik, und die Meinungen gehen weit auseinander, wer eigentlich welche Genehmigung erteilen muss. Nur die Länder, deren Hoheitsgebiet die Röhre kreuzt, also neben Russland und Deutschland als Ausgangs- und Zielpunkt, Finnland, Schweden und Dänemark? Oder auch die Europäische Kommission? Wie unübersichtlich die Kompetenzwirrwarr ist, zeigt die jüngste Entwicklung: Die polnische Kartellbehörde UOKiK – eine Größe, die zuvor keiner auf der Rechnung hatte – legte sich quer. Zwar ist an dem Vorhaben keine polnische Firma beteiligt. Weil aber die westlichen Partner, unter anderem die BASFTochter Wintershall und der Eon-Ableger Uniper, mit anderen Geschäften in Polen aktiv sind, beansprucht das UOKiK Mit-Entscheidungsbefugnis.
Die West-Konzerne zogen sich erstmal aus dem Joint Venture zurück. Für den russischen Gazprom-Konzern gibt es dennoch kein Vertun. Nord Stream 2 komme. Ab 2019 sollen durch den 1200 Kilometer langen neuen Strang jährlich 55 Milliarden Kubikmeter Gas in die EU strömen. Vier Fünftel der Gas-Exporte nach Europa würden dann über die Ostsee-Route fließen.
Die mittel- und osteuropäschen Staaten sind geschlossen gegen Nord Stream 2, weil die Versorgungssicherheit in ihrer Region gefährdet werde. Auch EU-Vertreter machen Front gegen das Projekt. Es erhöhe die Abhängigkeit von Russland, behindere die Erschließung neuer Quellen und schädige die bisherigen Transitländer Ukraine, Polen und Slowakei.
Das EU-Parlament gibt ebenfalls Contra – und dort nicht nur die Ost-Abgeordneten. CSUMann Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion, teilt die Bedenken. Nordstream 2 sei „unvereinbar“mit den Zielen der Energie-, Außen- und Sicherheitspolitik der EU.
Kanzlerin Merkel und Gazprom halten an der umstrittenen Gas-Pipeline fest. Doch das Genehmigungsverfahren ist kompliziert. Vor allem östliche EUStaaten sehen das Projekt mit großer Sorge. 2019 soll die Leitung erstmals Gas liefern