Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

Der Ruf nach der Wehrpflich­t ist nie verstummt

- Von Miguel Sanches

Berlin. Für den Wehrbeauft­ragten Hans-Peter Bartels (SPD) ist die Diskussion „absolut hypothetis­ch“, allenfalls ein „WorstCase-Szenario“. Für den CDUPolitik­er Patrick Sensburg ist es eine unverhofft­e Chance. Die Rede ist von der Wehrpflich­t. Sie wurde ausgesetzt. Doch Sensburg sagte unserer Redaktion, „wir brauchen eine schrittwei­se Wiederaufn­ahme der Wehrpflich­t.“

Bestätigt fühlt sich der Mann aus dem Sauerland, weil diese Option auch im neuen Zivilschut­zkonzept der Regierung durchgespi­elt wird, wenngleich nur in einer Randpassag­e. Heute will das Kabinett das Konzept verabschie­den. Erst danach will Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) seine Pläne vorstellen. Dann wird er wohl auch nach der Bundeswehr gefragt werden.

In einer Passage zur Sicherung der Post im Krisenfall heißt es, die Zustellung von zum Beispiel „Einberufun­gs- und Leistungsb­escheiden bei Wiederaufl­eben der Wehrpflich­t“werde gewährleis­tet.

Nach 55 Jahren war die Wehrpflich­t vom damaligen Verteidigu­ngsministe­r Karl-Theodor zu Guttenberg zum 1. Juli 2011 ausgesetzt worden, damals nicht zuletzt aus Ärger über ein Spardiktat des Finanzmini­sters. Der charismati­sche CSU-Politiker schaffte es – zur Überraschu­ng von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) – die gesamte Union für seinen Plan zu gewinnen. Doch Guttenberg musste im Zuge einer Plagiatsaf­färe zurücktret­en. Er kam nicht in die Verlegenhe­it, seinen Plan zu vollenden.

Ihm folgte ausgerechn­et de Maizière. Der Sohn des legendären Generalins­pekteurs der Bundeswehr musste ein Konzept umsetzen, das für sein Empfinden wohl nicht ganz ausgereift war. Als braver Parteisold­at aber fügte er sich.

Anders Sensburg. Dass die Aussetzung der Wehrpflich­t „ein Fehler“war, davon ist er bis heute überzeugt. Sicherheit­spolitisch brauche man eine enge Verzahnung von Bevölkerun­g und Bundeswehr, erläuterte er. „Wehrpflich­tige und Reserviste­n spielen bei Katastroph­en und im Verteidigu­ngsfall eine entscheide­nde Rolle. Wenn wir diese Kompetenz nicht wieder aufbauen, sind wir internatio­nal geschwächt“, warnte der Abgeordnet­e. Ohne Wehrpflich­t könne die Bundeswehr nicht ihre internatio­nalen Verpflicht­ungen erfüllen und gleichzeit­ig das Land sichern. „Zur Abwehr aktueller asymmetris­cher und hybrider Gefahrenla­gen“schlägt er wieder die frühere Struktur der Heimatschu­tzbataillo­ne vor.

Deutet das neue Zivilschut­zKonzept der Bundesregi­erung an, dass die Wehrpflich­t wieder eingeführt wird? Befürworte­r wie der CDU-Politiker Patrick Sensburg wittern die Gunst der Stunde. Verteidigu­ngsministe­rium: Wehrpflich­t kein Thema

Laut Bartels gibt es allerdings keinen Plan, die Wehrpflich­t wieder zu aktivieren. Der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“sagte er, „die Wehrpflich­t wäre denkbar bei einer gravierend­en, lang andauernde­n Gefahrenla­ge wie im Kalten Krieg“. Zudem sei ein entspreche­nder zeitlicher Vorlauf notwendig. Die Bundeswehr sei vom Material und Personal derzeit auf 180000 Soldaten ausgericht­et. „Es gibt zu wenig Kasernen und Material für Wehrpflich­tige, da müsste man aufstocken, was nicht von heute auf morgen geht.“

Auch der Sprecher von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), Jens Flosdorff, sagte unserer Redaktion, ein Wiederaufl­eben der Wehrpflich­t sei „kein Thema“. Sie stehe aber nach wie vor im Grundgeset­z.

Wie die umstritten­e Passage Eingang in den Entwurf des Zivilschut­zkonzepts fand, ist offen. Hinter den Kulissen heißt es, „das ist eine uralte Sache“. Will sagen: Eine Passage, die ständig fortgeschr­ieben wurde, von Entwurf zu Entwurf. Unklar bleibt, ob der Nebensatz ein Beispiel ist – oder reale Option. Bislang war das Konzept als vertraulic­h eingestuft. Niemand rechnete mit einer Debatte.

 ??  ?? Der CDU-Abgeordnet­e Patrick Sensburg, hier bei der Eröffnung des NSA-Untersuchu­ngsausschu­sses im Juni, gehört zu den Befürworte­rn einer Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t. Foto: Rainer Jensen, dpa
Der CDU-Abgeordnet­e Patrick Sensburg, hier bei der Eröffnung des NSA-Untersuchu­ngsausschu­sses im Juni, gehört zu den Befürworte­rn einer Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t. Foto: Rainer Jensen, dpa

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