Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Der Ruf nach der Wehrpflicht ist nie verstummt
Berlin. Für den Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) ist die Diskussion „absolut hypothetisch“, allenfalls ein „WorstCase-Szenario“. Für den CDUPolitiker Patrick Sensburg ist es eine unverhoffte Chance. Die Rede ist von der Wehrpflicht. Sie wurde ausgesetzt. Doch Sensburg sagte unserer Redaktion, „wir brauchen eine schrittweise Wiederaufnahme der Wehrpflicht.“
Bestätigt fühlt sich der Mann aus dem Sauerland, weil diese Option auch im neuen Zivilschutzkonzept der Regierung durchgespielt wird, wenngleich nur in einer Randpassage. Heute will das Kabinett das Konzept verabschieden. Erst danach will Innenminister Thomas de Maizière (CDU) seine Pläne vorstellen. Dann wird er wohl auch nach der Bundeswehr gefragt werden.
In einer Passage zur Sicherung der Post im Krisenfall heißt es, die Zustellung von zum Beispiel „Einberufungs- und Leistungsbescheiden bei Wiederaufleben der Wehrpflicht“werde gewährleistet.
Nach 55 Jahren war die Wehrpflicht vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum 1. Juli 2011 ausgesetzt worden, damals nicht zuletzt aus Ärger über ein Spardiktat des Finanzministers. Der charismatische CSU-Politiker schaffte es – zur Überraschung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – die gesamte Union für seinen Plan zu gewinnen. Doch Guttenberg musste im Zuge einer Plagiatsaffäre zurücktreten. Er kam nicht in die Verlegenheit, seinen Plan zu vollenden.
Ihm folgte ausgerechnet de Maizière. Der Sohn des legendären Generalinspekteurs der Bundeswehr musste ein Konzept umsetzen, das für sein Empfinden wohl nicht ganz ausgereift war. Als braver Parteisoldat aber fügte er sich.
Anders Sensburg. Dass die Aussetzung der Wehrpflicht „ein Fehler“war, davon ist er bis heute überzeugt. Sicherheitspolitisch brauche man eine enge Verzahnung von Bevölkerung und Bundeswehr, erläuterte er. „Wehrpflichtige und Reservisten spielen bei Katastrophen und im Verteidigungsfall eine entscheidende Rolle. Wenn wir diese Kompetenz nicht wieder aufbauen, sind wir international geschwächt“, warnte der Abgeordnete. Ohne Wehrpflicht könne die Bundeswehr nicht ihre internationalen Verpflichtungen erfüllen und gleichzeitig das Land sichern. „Zur Abwehr aktueller asymmetrischer und hybrider Gefahrenlagen“schlägt er wieder die frühere Struktur der Heimatschutzbataillone vor.
Deutet das neue ZivilschutzKonzept der Bundesregierung an, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt wird? Befürworter wie der CDU-Politiker Patrick Sensburg wittern die Gunst der Stunde. Verteidigungsministerium: Wehrpflicht kein Thema
Laut Bartels gibt es allerdings keinen Plan, die Wehrpflicht wieder zu aktivieren. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“sagte er, „die Wehrpflicht wäre denkbar bei einer gravierenden, lang andauernden Gefahrenlage wie im Kalten Krieg“. Zudem sei ein entsprechender zeitlicher Vorlauf notwendig. Die Bundeswehr sei vom Material und Personal derzeit auf 180000 Soldaten ausgerichtet. „Es gibt zu wenig Kasernen und Material für Wehrpflichtige, da müsste man aufstocken, was nicht von heute auf morgen geht.“
Auch der Sprecher von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Jens Flosdorff, sagte unserer Redaktion, ein Wiederaufleben der Wehrpflicht sei „kein Thema“. Sie stehe aber nach wie vor im Grundgesetz.
Wie die umstrittene Passage Eingang in den Entwurf des Zivilschutzkonzepts fand, ist offen. Hinter den Kulissen heißt es, „das ist eine uralte Sache“. Will sagen: Eine Passage, die ständig fortgeschrieben wurde, von Entwurf zu Entwurf. Unklar bleibt, ob der Nebensatz ein Beispiel ist – oder reale Option. Bislang war das Konzept als vertraulich eingestuft. Niemand rechnete mit einer Debatte.