Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Tiefensee: Druck der Autokonzerne auf Zulieferer schadet der Branche
Erleichtert über die Einigung im Streit zwischen dem Volkswagen-Konzern und zwei sächsischen Zulieferern zeigte sich gestern in Erfurt auch der Thüringer Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee.
Erfurt. Er werde die Auseinandersetzung nicht kommentieren, weil er die Details und Hintergründe nicht kenne und daher nicht beurteilen könne, so Tiefensee. Dessen ungeachtet werfe dieser Streit aber ein Schlaglicht auf die Automobilbranche und sei Anlass dafür gewesen, dass sich das Thüringer Kabinett gestern mit der Situation der Branche im Freistaat befasst hat. „Betrachtet man nur die größeren Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, sind aktuell 52 Firmen der Automobilindustrie und der Zulieferbranche in Thüringen ansässig“, sagte Tiefensee. Mehr als 16 000 Thüringer arbeiten in diesen Betrieben und erwirtschaften dort einen Jahresumsatz von insgesamt 4,6 Milliarden Euro.
Internationalisierung als Herausforderung
„Das ist mit weitem Abstand die umsatzstärkste Branche in Thüringen“, versicherte Wolfgang Tiefensee. Jeder siebente Euro im Thüringer Industrieumsatz entfalle auf Autos oder Autoteile. Die Branche sei eine „tragende Säule des Wirtschaftsstandortes Thüringen.
Deshalb sei die Thüringer Politik gut beraten die Entwicklungen der Branche genau zu beobachten. Und sie betrachte einige Tendenzen durchaus mit Sorge. Dem knallharten weltweiten Wettbewerb könnten sich Thüringer Zulieferer nicht entziehen. Vor allem die zunehmende Internationalisierung sei eine große Herausforderung für die meist kleinen und mittelständischen Thüringer Firmen.
„Die großen Autokonzerne fertigen in den Wachstumsmärkten wie China und verlangen, dass auch ihre Zulieferer ihnen dorthin folgen und vor Ort produzieren“, so Tiefensee.
Zudem ist die Autobranche einem Strukturwandel unterworfen. Der Minister verwies auf den zunehmenden Trend zu Plattformen und Baukastenlösungen, auf neue Antriebstechniken wie den Elektromotor und einen Wandel in der Bevölkerung beim Thema Mobilität.
Das eigene Auto stehe nicht mehr im Vordergrund, man setze auf Mitfahrangebote oder geteilte Autonutzung. Vor diesem Hintergrund sei die Versuchung für die Konzerne groß, Risiken und Kosten auf die Zulieferer zu verlagern. Die sollten die Kosten für die Entwicklung neuer Bauteile oder von Spezialwerkzeugen tragen und dafür auch in Vorleistung gehen, nannte Tiefensee ein Beispiel. Kämen dann vereinbarte Stückzahlen der Abnahme nicht zustande oder werde über die vereinbarten Preise nachverhandelt, gerate der kleine Zulieferer sehr schnell an seine finanziellen Grenzen.
„Wenn ein Automobilkonzern seine Marktmacht ausnutzt, schadet das letztlich der gesamten Branche“, warnte der Minister. Er mahnte einen fairen Umgang von Konzernen und Zulieferern mit einander an. „Gegeneinander wird man nicht erfolgreich sein“, so Tiefensee.
Die Landesregierung werde die Automobilbranche unterstützen, kündigte der Minister an. So nehme man etwa in den kommenden fünf Jahren rund 100 Millionen Euro in die Hand, um den digitalen Wandel, auch im Automobilsektor, zu fördern.