Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Mutmaßlicher Zuhälter vor Gericht
Gera. Vor dem Landgericht Gera hat ein Verfahren gegen einen mutmaßlichen Zuhälter aus dem Saale-Orla-Kreis begonnen. Er soll im vergangenen Jahr eine Tschechin zu sexuellen Dienstleistungen gezwungen haben, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren.
Die Staatsanwaltschaft legt dem 34-Jährigen auch eine räuberische Erpressung in einer Kleinstadt des Saale-Orla-Kreises zur Last. Das mutmaßliche Opfer sei aus Angst vor weiteren Schlägen mit einem Baseballschläger aus dem Fenster gesprungen und habe sich dabei den Knöchel gebrochen, heißt es in der Anklageschrift.
Zudem wirft die Staatsanwaltschaft ihm vor, eine Frau für eine Woche in einer Wohnung in Plauen eingesperrt zu haben. Sie sollte 500 Euro Schulden abarbeiten. Auch soll der Angeklagte seine Lebensgefährtin geschlagen haben, wie Staatsanwältin Jana Böse sagt.
Der Angeklagte wollte sich zum Prozessauftakt zunächst nicht äußern. Das Gericht verlas frühere Briefe des Mannes, in denen er die Tatvorwürfe bestritten hat. Er sei Opfer einer Intrige seiner Ex-Freundin geworden, um ihn um Eigentum im Wert von 200 000 Euro zu erleichtern, schrieb der Mann. Zudem habe die Polizei die Telefonüberwachung willkürlich falsch ausgelegt. Die Polizisten seien neidisch auf seinen Lebensstil, weil er Frauen habe, die sie nur gegen Geld bekämen, und er Autos fahre, die sie sich nicht leisten könnten. Bei der Attacke mit dem Baseballschläger habe er in Notwehr gehandelt. Der Kurier „hat mich angegriffen, war etwa zwei Meter groß und viel kräftiger als ich. Pfefferspray zeigte fast keine Wirkung“, schrieb der Angeklagte. Er habe versucht, ihn mit dem Schläger abzuwehren.
Die Frauen seien freiwillig in Deutschland gewesen. Er habe Fotos gefertigt, das Marketing erledigt und beim Dolmetschen geholfen. Die Frauen seien gut bezahlt worden: Sie hätten die Hälfte ihrer Einnahmen behalten dürfen, die zwischen 50 Euro pro halbe Stunde und 900 Euro die Nacht schwankten. Bei der Tschechin habe er gemerkt, dass sie „dumm, aber nymphoman war“. Er habe nicht angenommen, dass sie geschäftsunfähig gewesen sei.
Der Staatsanwaltschaft hatte sich der Angeklagte als Kronzeuge angeboten. Er könne das größte Drogenlager und die größte Produktionsstätte Plauens auffliegen lassen und einen Anwalt aus Bayern benennen, der mit minderjährigen Jungen Pornofilme drehe.
Nach seiner Haftentlassung, so geht aus einem anderen Brief hervor, wolle er eine Drogenbestellung fingieren, um Lieferanten aus Tschechien in eine Falle zu locken. Bei einer Routinekontrolle könnte die Polizei die Drogendealer festnehmen, ohne dass der Verdacht auf ihn falle, teilte der Angeklagte den Behörden mit. „Ich will nicht arrogant wirken, aber ich kann Drogenhändler besser überführen als die Polizei, weil ich über Hintergrundwissen verfüge.“Die Staatsanwaltschaft hatte die Angebote nicht angenommen.
In einem Brief schilderte der Mann ausführlich, wie er ins Rotlichtmilieu geraten war. Er sei als Sohn eines Ärzte-Ehepaares in der fränkischen Provinz aufgewachsen, habe früh erfolgreich mit Aktien spekuliert. Von den Erlösen habe er eine Diskothek betrieben, die aber nicht gelaufen sei.
Der Chef einer Security-Firma habe ihm geraten, es mit Swingerund Fetisch-Partys zu versuchen. Er habe ein SM-Studio eröffnet. Auf den Partys hätten sich Personen aus der gehobenen Gesellschaft, darunter auch Staatsanwälte, Seite an Seite mit Kriminellen vergnügt. Er habe schließlich ein Bordell eröffnet.
Selbst habe er seine Lust bei Sexorgien unter Drogen in Prag ausgelebt. Nach einer falschen Verdächtigung habe er zunächst dem Sex-Gewerbe den Rücken gekehrt und als DJ sowie Autor gearbeitet. Unter anderem veröffentlichte er einen Flirtratgeber.
In einem Brief kündigte er an, nach seiner Haftentlassung eine Neuauflage des Werkes veröffentlichen und weiter an seiner musikalischen Karriere arbeiten zu wollen. Seine Räumlichkeiten im Saale-Orla-Kreis wolle er an Flüchtlinge vermieten.
Für den Prozess sind bis Ende September Verhandlungstage angesetzt.
Der Autor eines Flirtratgebers muss sich vor dem Landgericht Gera verantworten: Der Mann aus dem Saale-Orla-Kreis soll mehrere Gewaltdelikte begangen haben, bestreitet das aber und bietet sich als Kronzeuge an. Angeklagter sieht sich als Opfer einer Intrige