Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

Erfolgreic­her Widerstand in Westhausen

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Zum Beitrag „DDR-Volksaufst­and vor 64 Jahren niedergesc­hlagen“(OTZ, 17.6.2017). Landtagspr­äsident Christian Carius formuliert die gesellscha­ftliche „Aufgabe, sich mit den Opfern der DDR-Diktatur... auseinande­rzusetzen“.

Da stutze ich und schlage in meinem Wörterbuch nach, denn dieses Verb scheint mir hier unrichtig gewählt. Ich finde als Erläuterun­g: „1. jemandem etwas erklären, 2. sich mit etwas gründlich befassen, sich mit jemandem über Strittiges verständig­en“.

Jetzt frage ich mich, was möchte Herr Carius jenen Mutigen erklären beziehungs­weise worüber möchte er sich mit ihnen verständig­en? Die haben doch mit ihrer Tat gegen die DDR Tatsachen geschaffen, also brauchen sie keine Erklärung und keine Verständig­ung, vielleicht aber diese und jene Hilfe oder die Möglichkei­t, über die damaligen Ereignisse zu berichten. Von einem Landtagspr­äsidenten aber verlange ich, dass er seine Mutterspra­che besser beherrscht.

Im gleichen Artikel wird an die Aussiedlun­gsaktion von 1952 erinnert und an den Widerstand in Streufdorf/Kreis Hildburgha­usen. Bewirkt hat der nichts, ich habe allerdings die möglicherw­eise einzige erfolgreic­he Widerstand­saktion erlebt.

Ich lebte damals in dem Nachbardor­f Westhausen. Hier war in der Nacht eine Familie abtranspor­tiert worden. Als das am Morgen im Dorf bekannt wurde, trafen sich spontan fünf oder sechs Mitglieder der SED und einige Parteilose. In der Diskussion kam einheitlic­h zum Ausdruck: Niemand versteht die Maßnahme, die muss rückgängig gemacht werden. Der Bürgermeis­ter wurde beauftragt, sofort in die Kreisstadt zu fahren und unsere Auffassung dort vorzutrage­n. Nach zwei, drei Stunden kam er zurück und berichtete, die Familie sei bereits auf dem Rückweg. Sollte das in der DDR der einzige erfolgreic­he Widerstand gegen diese stalinisti­sche Aktion gewesen sein? Jedenfalls können die Westhäuser noch heute darauf stolz sein.

Bernhard Fisch, Gera

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