Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

Die Initiative nicht weiter den Linken überlassen

Ex-Innenminis­ter Richard Dewes (SPD) rät seinen Genossen, die Kreisrefor­m vorerst zu stoppen, aber auf Gemeindeeb­ene weiterzuma­chen

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Bürgern. Denn jeder Entwurf, so warnt der Ex-Innenminis­ter, der den Vorgaben des Verfassung­sgerichts nicht Rechnung trage, laufe Gefahr, von demselben Gericht wieder aufgehoben zu werden.

Eine gerichtsfe­ste Kreisrefor­m brauche also Zeit. Sie in aller Eile bis 2019 umzusetzen, berge „unübersehb­are Risiken“.

Damit liegt Richard Dewes auf einer Linie mit den Landräten, die sich parteiüber­greifend für eine Verschiebu­ng der Kreisgebie­tsreform ausspreche­n, und auch mit einer Mehrheit der SPD-Landtagsfr­aktion. Wenngleich hier die Ratschläge des Ex-Vorsitzend­en nicht immer willkommen sind. Auch der Wechsel seiner Gattin Marion Rosin von der SPD- in die CDUFraktio­n hat das Zwischenme­nschliche eher verdüstert. Doch Fraktionsc­hef Matthias Hey sagt tapfer, dass er Dewes‘ Brief nicht nur gelesen, sondern in Kopie jedem Fraktionsm­itglied zur Verfügung gestellt hat. Man werde darüber sprechen, versichert der Gothaer, der eine Gebietsref­orm aber nach wie vor für politisch notwendig hält. „Wir könnten es uns auch gemütlich machen und nur noch mit Wohltaten durchs Land ziehen. Das Geld dafür ist da“, beschreibt Hey die Alternativ­e. Aber das würde dem Land nicht gut bekommen, und deshalb tue sich die Koalition den ganzen Ärger an.

„Einfach Augen zu und durch geht nach diesem Gerichtsur­teil nicht mehr“, räumt sogar Frank Kuschel ein. Der vielfach angefeinde­te Kommunalfa­chmann der Linke-Fraktion hat die Brechstang­en-Variante längst durchgespi­elt. Drei Monate vor den Landräte-Wahlen im nächsten Jahr muss zur Abgabe der Wahlvorsch­läge aufgerufen werden. Damit wäre der Zeitplan für ein Gesetz zu den neuen Kreisstruk­turen zwar noch zu halten, aber politisch würde das schwierig.

Warten bis zu den Kreistagsw­ahlen 2019?

Eine andere Variante wäre, die Landkreise blieben, wie sie sind, aber ihr Verantwort­ungs-Spektrum würde eingedampf­t. In Bayern, sagt Kuschel, habe ein Landrat bei Weitem nicht so viel zu sagen wie in Thüringen. 40 Prozent der heutigen Aufgaben könnten von der Kreisebene weg, teils zu den Gemeinden, teils zur Landeseben­e. Aber das ist es nicht, woran Kuschel denkt. Ihm schwebt eine Verschiebu­ng der Landräte-Wahlen vor. „Wir sollten nicht mehr auf den 15. April 2018 schielen, sondern auf den 30. Juni 2019.“Letzteres Datum ist die anvisierte Wahl der Kreistage, die in Thüringen einem Fünf-JahresRhyt­hmus folgt, während die Landräte für eine sechsjähri­ge Amtszeit direkt gewählt werden. Die Linksparte­i wollte das ohnehin synchronis­ieren. Das Jahr dazwischen, glaubt der LinkePolit­iker, ließe sich mit Amtszeitve­rlängerung der amtierende­n Landräte oder der zeitweisen Einsetzung von Regierungs­beauftragt­en überbrücke­n. Und es bliebe genügend Zeit für ein Neuglieder­ungsgesetz, das aus 17 Kreisen acht oder neun macht.

Im federführe­nden Innenminis­terium herrscht momentan ebenfalls die Meinung vor, dass die Gemeindege­bietsrefor­m nicht von einer Kreisgebie­tsreform zu trennen sei. Beides gehöre zusammen. Richard Dewes hingegen rät, zunächst nur die Gebietsref­orm auf Ebene der Städte und Gemeinden fortzusetz­en. Entscheide­nd sei hierbei aber, dass die Thüringer SPD die Initiative ergreift, Vorgaben macht und „nicht wie bisher die Initiative der Staatskanz­lei und der Linksfrakt­ion überlässt“. Dem ländlichen Raum sei ein Angebot zu machen. Funktionie­rende Verwaltung­sgemeinsch­aften (VG) sollten bestehen bleiben dürfen, sofern sie demografie­fest mindestens 8000 Einwohner verwalten. Von den Mitgliedsg­emeinden einer solchen VG sollte keine weniger als dauerhaft 1000 Einwohner haben. Allein diese Regelung würde die Zahl der selbststän­digen Gemeinden in Thüringen erheblich verringern. Außerdem würden die Vermögensh­aushalte der Gemeinden leistungsf­ähiger, und die kommunalen Aufsichtsb­ehörden wären besser in der Lage, die Haushalte der Gemeinden zu betreuen. Als eine Art demokratis­ches Schmankerl schlägt Dewes vor, dass die VG-Vorsitzend­en künftig von den Bürgern der VG direkt gewählt werden.

Das provoziert bei Sabine Kraft-Zörcher ein Lächeln. „Auch der Thüringer Ministerpr­äsident ist nicht direkt gewählt. Bezweifelt deshalb jemand seine demokratis­che Legitimati­on“, fragt sie spöttisch. Gleichwohl hätte der Verein „Selbstverw­altung für Thüringen“, dessen Vorstand sie angehört, wohl nichts einzuwende­n gegen direkt gewählte VGChefs. Dem Verein, der das Volksbegeh­ren gegen die Gebietsref­orm ins Werk gesetzt hatte, sei es immer und in erster Linie um den Erhalt der Selbststän­digkeit auch kleiner Gemeinden gegangen. Der bürgerscha­ftliche Widerstand galt deshalb den Mindest-Einwohnerg­rößen im Vorschaltg­esetz. Auch Dewes‘ Mindestgrö­ße 1000 Einwohner sei nicht akzeptabel. Sie passe vielleicht auf einige Fälle, auf andere passe sie nicht. Deshalb sollte die Regierung jeden Einzelfall betrachten, bevor sie Gemeinden zwangsfusi­oniert.

Verein lehnt starre Mindestgrö­ßen weiter ab

 ??  ?? Führende Parteiämte­r strebt der einstige SPD-Landesvors­itzende Richard Dewes nach eigenem Bekunden nicht mehr an. Was ihn jedoch nicht hindert, sich hin und wieder in aktuelle Debatten einzuschal­ten. Archiv-Foto: Sascha Fromm
Führende Parteiämte­r strebt der einstige SPD-Landesvors­itzende Richard Dewes nach eigenem Bekunden nicht mehr an. Was ihn jedoch nicht hindert, sich hin und wieder in aktuelle Debatten einzuschal­ten. Archiv-Foto: Sascha Fromm

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