Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Staatsarchiv braucht mehr Platz
Apotheker Andreas Möckel aus Leutenberg forscht auf der Heidecksburg für Doktorarbeit über den VEB Jenapharm
Rudolstadt. Wie viele Stunden Andreas Möckel aus Leutenberg in den vergangenen sechs Jahren im Rudolstädter Staatsarchiv auf der Heidecksburg zugebracht hat, weiß er nicht genau. Aber es waren eine Menge. Nun ist es vollbracht.
Noch in diesem Monat soll seine Doktorarbeit zum Thema „Steroide hinter dem Eisernen Vorhang – Zur Entstehung und Entwicklung des VEB Jenapharm unter besonderer Berücksichtigung der Steroid-forschung bis Ende der 1960er Jahre“erscheinen. Gut 470 Seiten stark ist darin die Geschichte des VEB Jenapharm zwischen 1950 und 1967 beleuchtet. Es ist die wissenschaftliche Abschlussarbeit eines Aufbau-studienganges auf dem Gebiet Wissenschaftsgeschichte an der Universität Marburg, mit dem der 57-jährige Apotheker gleichzeitig den Doktortitel erhält.
Maßgebliche Inhalte dieser Arbeit recherchierte der Leutenberger im Staatsarchiv auf der Heidecksburg. Dorthin wurden die Unterlagen des aufgelösten VEB im Mai 1991 abgegeben. Es handelt sich um 2499 Akten, die sich auf 71 laufende Regalmeter verteilen.
„Die Pharmaindustrie in der DDR ist wissenschaftlich noch so gut wie gar nicht aufgearbeitet“, so Andreas Möckel, der sich insbesondere auf die Hormonforschung konzentriert. „Da ist man schnell beim Thema Doping. Das wird sehr emotional, häufig aber auch unsachlich diskutiert“, so der Autor. Er möchte mit seiner Publikation auch das historische Bild über das Unternehmen objektivieren. „Der VEB Jenapharm war nicht nur die Dopingfirma, als welche er immer wieder beschrieben wird. Die Forscher dort haben große Verdienste mit Medikamenten zum Wohle und für die Gesundheit der Menschen erworben. Zum Beispiel mit dem Medikament Penicillin“, so der Wissenschaftler.
Das Betriebsarchiv fand er vor als einen „unerschlossenen Schatz“, wie er es nennt. „Man muss heilfroh sein, dass es hier aufgenommen wurde. Die Kunst ist, aus den Beständen die richtigen Akten zu finden“, so Möckel. Die Inhalte zu erschließen, ist eine Herausforderung. Dafür braucht es Kenntnisse auf dem Gebiet der Chemie ebenso wie in Geschichte.
Das Archiv des VEB Jenapharm ist eines von insgesamt etwa zwei Dutzend Betriebsarchiven, die auf der Heidecksburg aufbewahrt werden. Darunter befinden sich auch die gesammelten Erinnerungsstücke des Greifenverlages, des Chemiefaserkombinates Schwarza oder der Saalfelder Nähmaschinenfabrik. Dazu kommen Mengen an Akten von Banken, Versicherungen, der Konsumgenossenschaft und so weiter. Und regelmäßig werden es mehr.
Aus diesem Grund sucht das Staatsarchiv für die Unterbringung des Außenmagazins für Archivalien des Landesarchives Thüringen ein neues Objekt. Das soll jetzt im Rahmen eines Markterkundungsverfahrens gefunden werden.
Für das Außenmagazin wird ein Objekt mit 2200 Quadratmetern Nutzfläche sowie mindestens zwei Pkw-stellplätzen gesucht. Es soll nach Möglichkeit nicht mehr als fünf Kilometer vom Dienstsitz des Archives auf Schloss Heidecksburg entfernt liegen. Angebote können bis 11. Januar 2019 über den Landesbetrieb Thüringer Liegenschaftsmanagement abgegeben werden. Voraussichtlicher Mietbeginn ist der 1. Januar 2020.
„Die Flächen des Außenmagazins sind darauf ausgerichtet, die Akten des Staatsarchives in den nächsten Jahrzehnten zu beherbergen, weil dafür der Platz in den historischen Magazinen auf der Heidecksburg nicht ausreicht“, sagt Archivdirektor Dieter Marek. Das Staatsarchiv ist auch zuständig für die Aufbewahrung der Akten von Polizei, Arbeitsamt, Gerichten oder dem Finanzamt. Also von „lebenden“Behörden, wie es in der Amtssprache heißt. Das ist vom Gesetzgeber so vorgeschrieben. Mit der jetzt geplanten Ausweitung ist nicht zuletzt der Standort des Staatsarchives in Rudolstadt gesichert. Vor zwei Jahren gab es diesbezüglich noch andere Aussagen. Die sind nach Information von Dieter Marek jetzt aber vom Tisch. „In dem im Juli 2018 beschlossenen Archivgesetz sind die sechs Staatsarchiv-standorte in Thüringen festgeschrieben“, sagt der Direktor.