Ostthüringer Zeitung (Pößneck)
Deutsch-pop für die Kassettenkinder
Die Greizer Sängerin Nea hat in ihr sechstes Album ganz viel Persönliches gepackt
Greiz. Schon der Titel des Albums zeigt, dass sich Musik und Texte nicht an die ganz junge Generation richten. Kassettenkind heißt die neue Scheibe der Greizer Sängerin Nea, die bürgerlich Sylvia Martens heißt. „Die Leute, die mit Kassetten aufgewachsen sind, sollen angesprochen werden“, sagt die 37Jährige, die für den Erscheinungstag des Albums ganz bewusst den Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober gewählt hat.
Mit Wende- sowie Ost-westgeschichten beschäftigen sich etliche Songs. „Die Texte betreffen viele aus meiner Generation oder Ältere. Es geht um Lebensknicke und -umbrüche. Fast 30 Jahre nach der Wende wollte ich eine Art Fazit ziehen. Es ist ein autobiografisches Album“, sagt die Greizerin. Zum Teil ist es eine Liebeserklärung an ihre ostdeutsche Heimat und die hier Lebenden mit ihrer „Stehauf-männchen-mentalität“, wie es Nea nennt. Vor allem sei die Scheibe aber auch eine „Ost-west-klaviatur“. Solange die Menschen in den einst getrennten Landesteilen einander zuhören, sich um Verständnis bemühen, funktioniere alles bestens. Das hat Nea bei der Entstehung des Albums, mit dem Ende 2017 begonnen wurde, gemerkt. Unter anderem hat sie dabei mit Hamburger Produzenten zusammen gearbeitet, was wunderbar geklappt habe. Und beim Schreiben der Texte habe es gut funktionierende Kooperationen mit Autoren aus dem Westteil des Landes gegeben. Teilweise hat die Sängerin an den Texten mitgeschrieben oder aber den Autoren Inhalte für die Songs geliefert.
Aus ihrer Feder stammen etwa Passagen aus dem Titel „Andrea“, bei dem sie eine herzzerreißende Geschichte thematisiert. Eine junge Mutter, schwer an Krebs erkrankt, hat nicht mehr lange zu leben. Deshalb verfasst die 31-Jährige Briefe an ihre Töchter, die die nach ihrem Tod jedes Jahr zu ihrem Geburtstag öffnen sollen. „Andrea hat sich ein Lied gewünscht“, erzählt Nea, die bedauert, dass die Mutter den produzierten Song nicht mehr hat hören können. Aber sie habe gewusst, dass das Lied im Entstehen ist.
Ein Fan war die verstorbene junge Mutter von der Musikerin Pe Werner. Und die hat für Nea ebenfalls einen Song geschrieben. „Du bist vorausgegangen“beschäftigt sich mit dem Verlust eines Menschen, bezieht sich eben auf die tragische Geschichte der krebskranken Mutter, die auch nach ihrem Tod noch Nachrichten für ihre Kinder hat.
„Es geht bei Verlust aber nicht nur ums Sterben“, betont die Greizerin, die darin auch einen Bezug zu vielen Biografien im Osten sieht. Verlust könne auch bedeuten, dass sich Liebende längere Zeit nicht sehen. „Zum Beispiel die vielen Pendler. Das gehört zu unserer Gesellschaft, aber es macht etwas mit Familien, wenn sie ständig getrennt sind“, so die 37-Jährige, die auch über eine persönliche Verlustgeschichte spricht. „In den 80erjahren haben sich meine Eltern getrennt und mein Vater ist in die BRD gegangen. Ich wusste damals nicht, ob ich ihn je wiedersehen würde“, erinnert sie sich.
Von Null auf Platz sieben in der Hitparade Auftritt bei Musikmesse
Stolz ist die Greizerin, dass der Song Kassettenkind bei der Hitparade von MDR Sachsen auf Anhieb von Null auf Platz sieben eingestiegen ist. „Und das, obwohl sogar etablierte Musiker wie Karat und Howard Carpendale mit Titeln dabei sind, die hinter mir lagen“, sagt sie.
Eine Tournee hat Sylvia Martens noch nicht geplant. „Momentan bin ich dabei, den Leuten zu erklären, was Nea mit Kassettenkind ist“, erzählt sie lachend. Erste Auftritte stehen aber bereits in ihrem Terminkalender. Sie freut sich unter anderem darauf, nächstes Jahr in Leipzig bei der Musikmesse ihr Deutsch-pop-album präsentieren zu können.