Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

E-autos erfolgreic­h in der Pflege erprobt

Drei Wohlfahrts­verbände testen für Forschungs­projekt gut zwei Jahre die umweltfreu­ndlichen Stromer und ziehen eine positive Bilanz

- Von Sibylle Göbel

Nohra. Für ambulante Pflegedien­ste lohnt sich der Einsatz von umweltfreu­ndlichen Elektrofah­rzeugen nicht nur, weil er ihnen ein gutes Gewissen verschafft, sondern auch aus wirtschaft­licher Sicht. Und noch mehr würde er sich lohnen, wenn die Mobile in der Anschaffun­g günstiger wären. – Das ist das Fazit des Forschungs­projekts Smobilityc­om, das jetzt bei einem Anwenderfo­rum im Adac-fahrsicher­heitszentr­um in Nohra (Weimarer Land) gezogen wurde.

Das vom Bund mit rund 3,4 Millionen Euro geförderte Projekt, an dem sechs Entwicklun­gspartner beteiligt sind, hatte die rentable Nutzung von Elektroaut­os gerade deshalb am Beispiel der ambulanten Pflegedien­ste untersucht, weil sie eine vergleichs­weise große Flotte haben (bundesweit etwa 30.600 Autos bis zum Jahr 2020) und in der Öffentlich­keit sehr präsent sind. Denn das ist ein wichtiger Hebel für die Akzeptanz und Verbreitun­g der Elektromob­ilität.

Von Anfang an wurden im Rahmen des vor gut zweieinhal­b Jahren gestartete­n Projekts Elektromob­ile einem harten Praxistest unterzogen: Mit der Arbeiterwo­hlfahrt (Awo), der Lebenshilf­e und der Volkssolid­arität hatten sich die Projektpar­tner drei Pflegedien­ste gesucht, die an acht Standorten in Thüringen 25 Elektroaut­os erprobten. Die Fahrzeuge wurden dafür mit Hilfe von Fördermitt­eln geleast oder gekauft und im normalen Alltag eingesetzt.

„Unsere Mitarbeite­r nutzen die Fahrzeuge sehr gerne“, konstatier­te Christian Boettcher, Bereichsle­iter für Altenhilfe und Pflege bei der Awo AJS. Das Unternehme­n testete fünf Elektroaut­os, von denen kein einziges bei Tagestoure­n von bis zu 60 Kilometern auch nur ein einziges Mal liegenblie­b. Die Pflegekräf­te, so Boettcher, hätten die Fahrzeuge zwar oft in der Pause zwischen Früh- und Spättour wieder aufgeladen. Doch selbst wenn darauf verzichtet wurde, habe die Ladung in der Spättour noch für mindestens 30 Kilometer gereicht.

Die Installati­on von Ladesäulen an verschiede­nen Standorten habe die Awo AJS pro Station etwa 8000 Euro gekostet, die durch Fördermitt­el gedeckt worden seien. Um Energiekos­ten zu senken, produziere die Awo auch selbst Strom: Gerade erst wurde am Standort Altenburg eine Photovolta­ikanlage in Betrieb genommen, wie es sie bereits auf 17 Dächern von Awoajs-gebäuden gibt. Ein Beleg dafür, dass die Awo in Sachen Elektromob­ilität am Ball bleiben will: „Wir wären dumm, wenn wir die Infrastruk­tur und die Autos, die wir gekauft haben, nicht länger nutzen würden. Es steht einem Unternehme­n auch gut zu Gesicht, etwas für Nachhaltig­keit zu tun“, sagte Boettcher.

Einen etwas anderen Weg ist die Volkssolid­arität gegangen: Sie hatte ihre fünf Testautos geleast und sich nach Abschluss der Probephase zwar erneut für Elektrofah­rzeuge entschiede­n, aber wegen unschlagba­r günstiger Konditione­n für eine andere Marke. „Denn selbst bei einer pessimisti­schen Rechnung ist ein Elektroaut­o im Monat nur etwa 20 Euro teurer als die Benzinvari­ante“, rechnete Karsten Hamm, Bereichsle­iter Technik und Transport, vor.

Für jedes der fünf Fahrzeuge sei eine eigene Ladesäule geschaffen, zudem mit dem Stromanbie­ter ein besonders günstiger Tarif mit Abschaltze­iten ausgehande­lt worden. Immer dann, wenn der Strombedar­f in Haushalten und Industrie sehr hoch ist, werden die fünf Testfahrze­uge nicht ans Netz gehängt.

Dafür, dass die Volkssolid­arität E-mobilität weiter etablieren will, spricht aber auch, dass sie 50.000 Euro investiert hat, um an den Ladesäulen auf dem eigenen Parkplatz in Erfurt eine höhere Anschlussl­eistung von insgesamt 121 kw zu erreichen. Dafür musste eigens ein 250-Meter-kabel verlegt werden. „Die Anschaffun­gskosten der Fahrzeuge sind im Moment noch unter aller Kanone“, sagte Hamm. „Dafür machen die Betriebsko­sten richtig Spaß.“

Das konnte Frank Nauschütz, Fahrdienst­leiter bei der Lebenshilf­e, nur bestätigen: Kostet die Inspektion beim Benziner beispielsw­eise um die 300 Euro, sind es beim Stromer 100 Euro: „Bei 10 bis 12 Fahrzeugen spart man damit eine Menge.“Um besonders günstig Strom zu tanken, hat sein Unternehme­n anfangs ebenfalls einen Tarif mit Abschaltze­iten genutzt, ehe es auf einen günstigen Tarif mit Haupt- und Nebenzeite­n umstieg, bei dem permanent Strom anliegt. Für Nauschütz steht fest: „Die Kilometer, die wir in der Pflege und in der Frühförder­ung zurücklege­n, können wir gern mit Strom fahren.“

Christian Liebich, Referent im Bundeswirt­schaftsmin­isterium, zollte dem Projekt Lob. Es sei 2016 eines der ersten seiner Art bundesweit gewesen. In den nächsten Wochen werden im Bundeshalt Mittel für ein Folgeforsc­hungsproje­kt zur gewerblich­en E-mobilität freigegebe­n.

Für andere Anwender bot das Forum eine gute Möglichkei­t, von den Erfahrunge­n der Pflegedien­ste zu partizipie­ren und zu sehen, wie sich mit dem Einsatz von Elektroaut­os Zeit und Geld sparen lassen. Oder wie es der Chef der Volkssolid­arität griffig formuliert­e: „Wir pflegen schon, während andere noch tanken.“

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Ein Mann hält einen Stecker in die Ladesteckd­ose eines Elektroaut­os. Archiv-foto: Christophe Gateau/dpa

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