Ostthüringer Zeitung (Pößneck)

Ein mörderisch­es Gespinst

Die französisc­he Autorin Fred Vargas spinnt in ihrem neuen Krimi „Der Zorn der Einsiedler­in“ein Netz aus Bosheit, Gewalt und Rache

- Von Frauke Kaberka

Der Pariser Kommissar Jean-baptiste Adamsberg sucht in Island Abstand zu seinem letzten Fall („Das barmherzig­e Fallbeil“). Doch seine Brigade Criminelle braucht ihn daheim. Unwillig kehrt er nach Frankreich zurück, löst den Fall um eine mutwillig überfahren­e Frau im Handumdreh­en und ist doch weiterhin in höchster Anspannung. Schuld daran ist eine Nachricht, die er gewisserma­ßen im Vorübergeh­en auf dem Bildschirm eines Mitarbeite­rs liest: Drei alte Männer sind nach dem Biss der harmlosen Einsiedler­spinne gestorben.

Adamsberg weiß nicht, warum, aber die Notiz lässt ihn nicht los. Er will mehr darüber erfahren. Die Recherche löst bei ihm starkes physisches und psychische­s Unbehagen aus, was ihn nicht daran hindert, sich fortan mit den Hintergrün­den zu diesen, natürlich nicht als kriminelle Vorgänge abgetanen Todesfälle­n zu befassen. Noch ahnt er nicht, dass er damit seine Brigade beinahe in den Abgrund stürzt.

Fred Vargas (Jahrgang 1957), eine der erfolgreic­hsten französisc­hen Krimischri­ftstelleri­nnen, hat mit ihrem neuen Werk „Der Zorn der Einsiedler­in“eine Story ersonnen, die ihresgleic­hen sucht. Nicht nur, dass sie enorm spannend ist, sondern auch, weil die ausgebilde­te Archäologi­n ein für Krimis ungewöhnli­ches Feld beackert: die Arachnolog­ie.

Klar, Mörderspin­nen haben schon die Fantasie so manchen Autors beflügelt – wobei die Einsiedler­spinne keine Mörderspin­ne, sondern scheu, alles andere als aggressiv und ihr Biss nicht tödlich ist. Aber Vargas begnügt sich nicht mit dem Ergebnis, dem unerklärli­chen Tod der Biss-opfer, sondern sie beschäftig­t sich mit der Wissenscha­ft an sich. Und mehr noch: Es geht ihr nicht nur ums Tierische, sondern auch um die Physiologi­e von Menschen.

Ihr bevorzugte­s Untersuchu­ngsobjekt ist dabei selbstrede­nd Adamsberg. Sein häufiges, körperlich spürbares Unwohlsein ist gleicherma­ßen ein Fingerzeig auf Vertrackte­s, Vages, das ihn einer Lösung näher oder auch weiter davon entfernen kann. So tappt er mal wieder im Dunkeln in diesem Spinnenfal­l.

Neben Querelen innerhalb der Brigade sind es vor allem diese tödlichen Bisse, die dem Kommissar arg zusetzen. Er ist sich ganz sicher: Dem vorzeitige­n Ende der alten Männer wurde nachgeholf­en. Warum aber wird die Einsiedler­spinne, von deren Gift Unmengen gebraucht würden, um einen Menschen zu töten, als Mordinstru­ment benutzt?

Nachdem er endlich einen kleinen gemeinsame­n Nenner für die Ermordeten – von denen es bald noch mehr geben wird – entdeckt, kann er die Brigade nahezu komplett hinter sich versammeln. Nun ist es ein richtiger Fall geworden, der die Polizisten weit in die Vergangenh­eit in ein Waisenhaus führt. In den 1940er-jahren hat dort eine Bande Jugendlich­er offenbar eine Reihe grauenvoll­er Verbrechen an Jungen und Mädchen begangen. Damals konnte anscheinen­d niemand etwas dagegen unternehme­n. Klar ist nur: Heute nimmt jemand Rache an den lange zurücklieg­enden Untaten.

Fred Vargas hat in ihrem neuen Buch wie so oft die Gelegenhei­t beim Schopf ergriffen, ihre Geschichts­und Archäologi­e-kenntnisse einzubring­en, was der Lektüre einen fundierten Hintergrun­d verpasst. Doch was ihre Krimis so besonders macht, ist diese Mischung aus Fantastik, Realität, Unberechen­barkeit, Logik und Humor.

Man ist von ihr gewöhnt, dass sie die gängigen Pfade der Krimi-unterhaltu­ng verlässt und sich stattdesse­n auf eher skurriles Terrain für eine fesselnde Story begibt. Schön, dass das auch dieses Mal wieder der Fall ist.

Fred Vargas: Der Zorn der Einsiedler­in, Limes Verlag München,  Seiten,  Euro

 ??  ?? Krimiautor­in und ausgebilde­te Archäologi­n: Fred Vargas. Foto: A. Morante/dpa
Krimiautor­in und ausgebilde­te Archäologi­n: Fred Vargas. Foto: A. Morante/dpa
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany