Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Mutter der Unwilligen
Ein schlechtes Wahlergebnis, von Trump, Putin oder Erdogan nicht ernst genommen, in der EU oft nicht mehr die erste Geige und jetzt auch noch offener Widerstand in der CDU gegen ihre unpopuläre, gescheiterte Flüchtlingspolitik. Ist das jetzt die Kanzlerinnendämmerung, der Auftakt für das politische Ende Angela Merkels? Schmeißt sie hin, wird sie gestürzt? So schnell passiert das nicht in der traditionell wenig putschgeneigten CDU. Aber es wird einsamer um die Kanzlerin, die Züge von Machtvergessenheit zeigt und vielen Unionspolitikern nicht mehr als Erfolgsgarantin erscheint.
Merkel muss zügig das von ihr verursachte Chaos in der Flüchtlingspolitik in den Griff bekommen. Dass sie ihre SuperPressesprecherin (und Generalsekretärin) Annegret KrampKarrenbauer vorschickte, die offene Grenzen Deutschlands schräg zur Schicksalsfrage Europas verbog, war ein schwacher Versuch, Stimmung gegen Horst Seehofers gute Gründe für die Abweisung bestimmter Migranten zu machen.
Wenn sich Wiens Kanzler Sebastian Kurz in Berlin selbstbewusst als jugendlicher Held darstellt, der zusammen mit Seehofer und der neuen Regierung in Rom eine Achse der Willigen gegen immer mehr unkontrollierte Asylzuwanderung schmieden will, steht Merkel plötzlich als die Mutter der Unwilligen da, die seit Jahren – gegen den Willen und berechtigte Interessen etlicher EU-Staaten – keine funktionierende europäische Flüchtlingspolitik hinbekommt.