Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Enttäuschte Kleinbürger, fanatische Nazis
Wie ein Erfurter Historiker die dunkelsten Jahre der Geschichte von Weimar beschreibt
regieren. 1000
Jahre sollte sein Dienstwohngebäude als Residenz dienen.
Tatsächlich wurden es „nur“12. In seiner jetzt erschienenen „Geschichte der Stadt Weimar“blendet Steffen Raßloff diese „dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte“natürlich nicht aus. Er widmet dieser Zeit sogar das vielleicht kenntnisreichste wie spannendste Kapitel des ganzen Buchs. Das muss freilich nicht wundern. Denn obschon der Historiker die Geschichte der Stadt von der Altsteinzeit über das Mittelalter und die Klassik bis ins Heute beschreibt, so sind doch die Jahre der Weimarer Republik und die Zeit der NS-Herrschaft sein eigentliches Fachgebiet. Hierzu hat der Erfurter immer und immer wieder publiziert.
Bereits 1930 waren in Weimar erstmals Nationalsozialisten in eine Landesregierung gelangt. Raßloff erzählt detailliert, wie sie von nun an „Thüringen zum Experimentierfeld für die Machtergreifung machten“. Als erstes erging der Erlass „Wider die Negerkultur für deutsches Volkstum“, schließlich säuberten die Nazis den Beamtenapparat und höhlten das parlamentarische System aus.
Und wie reagierten die Weimarer? Bei den Reichstagswahlen stimmten im Juli 1932 fast 53 Prozent für die Nazis. Zum Vergleich: Reichsweit erzielte die NSDAP ein Drittel weniger an Stimmen. Deshalb spricht Raßloff mit Blick auf Weimar auch von einem Erdrutsch. „Das von seinen alten Eliten enttäuschte Kleinbürgertum bildete den Kern der NS-Anhänger“, resümiert er.
Übrigens, Sauckels einstige Villa in der Windmühlenstraße ist längst aufwendig umgebaut worden – zu einer Bildungsstätte.