Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
Lange Leitung?
Wie kann es sein, dass bei einer Live-Übertragung die Zeit in den einzelnen Haushalten offenbar unterschiedlich läuft? In deutlich abgemilderter Form ist das schon immer so: Das Live-Fernsehbild hat auch früher schon einen leichten Versatz zu den tatsächlichen Ereignissen vor Ort gehabt.
Auch als Deutschland 1990 in Italien Weltmeister wurde, feierten die Fans im Stadion nicht exakt zeitgleich mit denen, die in Deutschland vor dem Fernseher saßen. Das störte aber nicht, denn innerhalb von Deutschland wurde nahezu zeitgleich gejubelt. Beim WM-Titelgewinn in Brasilien 2014 war das bereits deutlich anders – in Hinterhöfen konnte man mitunter gestaffelte Jubelkaskaden verfolgen.
Schuld daran tragen die Digitalisierung des TV-Signals und die vielfältigen Übertragungswege: 1990 gab es Antennenfernsehen und analoges Kabelfernsehen – die wurden einigermaßen verzögerungsfrei und zeitgleich an die Haushalte ausgespielt. Mittlerweile werden Fernsehbilder digital übertragen: Bis das Spiel auf dem heimischen TVGerät sichtbar ist, wurde es vielfach digital optimiert, komprimiert, verschickt, dann wieder dekomprimiert und abschließend noch durch die Bildverbesserung des Fernsehgerätes geschickt. Die einzelnen Schritte gehen rasend schnell und sorgen im Ergebnis für ein ungleich schärferes Bild als damals, 1990 – addieren sich am Ende aber auch zu einer spürbaren Verzögerung.
Verstärkt und aufgefächert werden diese Verzögerungen heute durch die unterschiedlichen Signalwege – also ob man ARD und ZDF über Satellit, Kabelfernsehen, DVB-T2 HD oder via Internet-Stream empfängt.
Bei Satellit, DVB-T2 HD und Kabelfernsehen ist der Transport zum Kunden noch halbwegs direkt, die Verzögerung beträgt nur wenige Sekunden. Bei der Übermittlung via Stream muss das Fernsehbild zunächst bei den Sendern abgeholt, fürs Streaming aufbereitet und dann quer durch das Internet geschickt werden. Verzögerungen von 30 oder 40 Sekunden sind die Folge.