Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)
In Südtirol lauert das Grauen
Mit „Das Böse, es bleibt“ist dem Italiener Luca D’Andrea ein vielschichtiger Thriller gelungen. Der Schrecken in der Idylle entblättert sich nach und nach
Autor Luca D‘Andrea wurde in Bozen geboren, wo er heute noch lebt. Sein erster Thriller „Der Tod so kalt“wurde zum Bestseller. Foto: Michele Melani Bozen. In den Weiten der Südtiroler Berge lauert das Böse in einem gedrungenen Erbhof. Die junge Marlene stiehlt ihrem skrupellosen Ehemann, einem Unterweltboss, wertvolle Saphire – und verunglückt auf der Flucht mit dem Auto auf einer abgelegenen Bergstraße. Dort findet sie Simon Keller, ein „Baur“, Eigenbrötler. Er bringt Marlene in den Erbhof am Ende eines Seitentals, weit weg vom nächsten Ort, kümmert sich um die verletzte Frau. Ein wunderlicher, fürsorglicher Kerl.
So beginnt der Roman „Das Böse, es bleibt“, das zweite Buch des italienischen Schriftstellers Luca D’Andrea. Das Böse im Menschen offenbart sich in diesem Werk auf vielschichtige Weise. Da ist der Mann von Marlene, der von allen nur Herr Wegener genannt wird – ein kaltblütiger, mordender Opportunist, der sich als Jugendlicher in den Bergen den Nazis als Informant andiente. Da ist ein namensloser Mann, der aussieht wie ein HollywoodStar und tötet wie eine Maschine. Und da ist Simon Keller, der Baur. Ein gläubiger Mensch mit einer dunklen Vergangenheit, die sich langsam entblättert. Der Schweine hat und ihnen Namen gibt. Eines, „Lissy“, ein Ungetüm von einer Sau, mit scharfen Hauern, behütet er besonders – und mit allen Mitteln.
Vergangenheit. Sie ist ein zentrales Thema des Buches. Jeder der Charaktere ist durch frühere Geschehnisse belastet und wird wieder von ihnen eingeholt. Mit eingeschobenen Episoden offenbart sich der Ballast der Vergangenheit stets mehr – und es wird immer klarer, was die Protagonisten antreibt. Manchmal wird es auch mythisch: Es geht um Kobolde, die Bibel, Grimms Märchen. Kammerspielartig streut D’Andrea solche Sequenzen ein. Sie zeichnen das Buch aus, sind manchmal aber etwas langatmig.
Insgesamt hat D’Andrea die Geschichte, die im Jahr 1974 spielt, aber präzise und gelungen konstruiert. Sie springt zwischen verschiedenen den Handlungsorten und -strängen, die hin und wieder verknüpft werden, und hält überraschende Wendungen bereit. Knapp erzählte Passagen wechseln sich ab mit längeren Szenen. Das Buch hat einen gelungenen Rhythmus und kreiert damit stets neue Spannung beim Leser. Dafür sorgt auch die Sprache mit ihrem stimmigen Wechsel zwischen kurzen Satzfetzen und wortgewaltigen Schilderungen. Der Thriller lebt schließlich auch von der Detailkenntnis des Südtirolers D’Andrea lebt. Die Hatz nach Marlene und den Saphiren zwischen Bozen und dem Reschenpass, der Italien mit Österreich verbindet, nimmt für viele der beteiligten Personen natürlich kein gutes Ende. Und auch auf dem einsamen Erbhof mit seinem Schweinestall hoch in den Bergen Südtirols offenbart sich das Grauen Stück für Stück. (dpa)