Ostthüringer Zeitung (Rudolstadt)

Es war Mord

Forscher sind  Jahre altem Rätsel auf der Spur: Der Fürst von Helmsdorf wurde erstochen in der Epoche der Himmelssch­eibe

- Von Thomas Schöne

Halle. Die Knochen des Herrschers aus dem Grabhügel von Helmsdorf in Sachsen-Anhalt liegen fein säuberlich auf einem schwarzen Tuch ausgebreit­et. Nach 3846 Jahren bestätigt der Rechtsmedi­ziner Frank Ramsthaler: „Es war Mord“. Der Herrscher ist in der Epoche der Himmelssch­eibe von Nebra einem Attentat zum Opfer gefallen.

War es eine Intrige? Ein Thronraub? „Die umfangreic­hen Forschungs­ergebnisse werden in der ersten Jahreshälf­te 2019 veröffentl­icht“, sagt Landesarch­äologe Harald Meller. „Den Stein ins Rollen brachte mein Co-Autor Kai Michel bei der Arbeit an unserem neuen Buch ‚Die Himmelssch­eibe von Nebra‘ (Propyläen).“Er regte an, die Überreste des Helmsdorfe­r Fürsten noch einmal eingehend untersuche­n zu lassen. „Schließlic­h handelt es sich bei dessen Knochen um die einzigen Überreste eines Menschen aus dem direkten Umfeld der Himmelssch­eibe“, sagt Michel. „So weit wir jetzt sehen, haben wir dadurch den ältesten tatsächlic­h nachweisba­ren Fürstenmor­d der Weltgeschi­chte entdeckt.“

„Erstmals untersucht­en wir die Knochen 2012/13“, sagt die Anthropolo­gin Nicole Nicklisch. „Damals vermuteten wir schon, dass einige Kochen Verletzung­en durch scharfe Gewalt aufweisen.“

Frank Ramsthaler, stellvertr­etender Leiter des Instituts für Rechtsmedi­zin der Universitä­t des Saarlandes in Homburg, sagt: „An den Knochen können eindeutig drei Verletzung­en nachgewies­en werden. Möglicherw­eise gab es noch weitere, aber diese drei waren allein schon tödlich. Bei der Tatwaffe könnte es sich um einen Dolch handeln, dessen Klinge gut 15 Zentimeter lang gewesen sein muss.“

Der Rechtsmedi­ziner rekonstrui­ert den möglichen Tatablauf: Ein mit großer Entschloss­enheit ausgeführt­er Stich ging in den Bauchberei­ch. Die Dolchspitz­e traf den elften Brustwirbe­l und hinterließ dort eine deutlich erkennbare Kerbe von 6 Millimeter Länge und 3 Millimeter Tiefe. Um überhaupt durch den Bauch zu stoßen und dem Wirbel eine solche Scharte zuzufügen, brauchte es enorme Kraft. Das Opfer hat entweder an der Wand gestanden oder lag auf dem Boden. Sonst hätte der Täter den Dolch nicht bis in den Knochen stoßen können.

„In prächirurg­ischen Zeiten bedeutete das den sicheren Tod“, sagt der Experte. Ein weiterer Stich traf den Fürsten von oben hinter dem Schlüsselb­ein und spaltete das linke Schulterbl­att. Zahlreiche Blutgefäße, aber auch Teile der Lunge wird der Dolch hier verletzt haben – auch das mit Sicherheit tödlich. „Das spricht für einen erfahrenen Krieger“, kommentier­t Meller, „noch die römischen Gladiatore­n setzen dort den Todesstoß.“

Doch wer war der Täter? „Es muss eine Vertrauens­person aus dem Umfeld des Herrschers gewesen sein. Vielleicht ein Verwandter, ein Freund oder die Leibwache“, sagt Meller. „Der Herrscher war arglos und wurde durch den Angriff überrascht. Möglicherw­eise ist er wie Julius Cäsar im alten Rom einer Verschwöru­ng zum Opfer gefallen.“Ein Tyrannenmo­rd? Dagegen spricht, dass der etwa 30- bis 50-jährige Fürst mit allen Ehren unter einem riesigen Hügel begraben wurde. (dpa)

 ??  ?? Nicole Nicklisch, Anthropolo­gin, und Frank Ramsthaler, Rechtsmedi­ziner, begutachte­n die sterbliche­n Überreste des Fürsten von Helmsdorf (Mansfeld-Südharz).
Nicole Nicklisch, Anthropolo­gin, und Frank Ramsthaler, Rechtsmedi­ziner, begutachte­n die sterbliche­n Überreste des Fürsten von Helmsdorf (Mansfeld-Südharz).

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