Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)
Starke Frauen gestalten Kultur in Jena, auf dem Dorf und im Fernsehen
Bauernhof und Galerie: Iris Kerstin Geisler über Schauspieler in ihrer Familie und Literatur
Jena. Als Iris Kerstin Geisler ihre Tochter Luise Wolfram zum Vorspiel an die Berliner Ernst-BuschHochschule begleitete, muss ihr das vorgekommen sein wie ein generationenverbindendes Déjà-vu. 20 Jahre zuvor hatte sie bereits ihre Schwester Claudia Geisler-Bading auf dem gleichen Weg begleitet. Geislers Schwester wurde 1986 an der Schauspielschule angenommen - Geislers Tochter Luise startete ihre Schauspielausbildung 2006.
Zwei Generationen von Schauspielerinnen in einer Familie, in der sich insgesamt fünf Schauspieler finden. Heute kennt man Claudia Geisler-Bading unter anderem aus Fernsehserien wie dem Spreewaldkrimi oder Filmen wie „Lotte am Bauhaus“. Luise Wolfram ist vor allem über den Bremer Tatort als Kommissarin bekannt geworden.
Den ländlichen Raum mit Kultur bereichern
„Man könnte vermuten, dass es vor dem Hintergrund einer bäuerlichen Familie Bremsen gab, doch wir wurden durch unsere Eltern in dieser Hinsicht stets unterstützt“, sagt die heute 61-jährige Iris Kerstin Geisler, die aus Kleinschwabhausen stammt, wo die Familie seit dem Jahr 1906 einen Vier-Seiten-Hof besitzt. Geislers Eltern betrieben den Hof, doch ihr Vater sei in Kleinschwabhausen stets auch kulturell engagiert gewesen. 1972 rief er den gemischten Chor ins Leben und 2006 gründete er die Band „Akkordeonfreunde Kleinschwabhausen“. Und während sich die Kultur-Affinität bei Geislers Schwester und ihrer Tochter in Richtung Schauspielerei niederschlug, war es bei ihr selbst vor allem die Leidenschaft zur Literatur. Geisler entwickelt den elterlichen Hof nun weiter zu einem Kulturort – will den ländlichen Raum mit Kultur bereichern.
Seit dem vergangenen Jahr organisiert die Bibliothekarin, Sprecherin und Autorin das Literatur-Festival „Ottilies Ort“auf dem 300 Jahre alten Vier-Seitenhof in Kleinschwabhausen. Auf dem Hof ihrer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern organisiert sie musikalische Open-Air-Lesungen. Dass auch Geislers Tochter und Tatort-Darstellerin Luise Wolfram den Auftakt des Literaturfestivals unterstützte und aus Krimis las, ist naheliegend.
Außerdem präsentierte Thomas Bading, Schauspieler und Regisseur von der Berliner Schaubühne Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“für zwei Schauspielerinnen und Klavier. Die 200 Plätze im Kleinschwabhäuser Hof waren 2022 gänzlich ausverkauft. „Es war sehr erfolgreich. Aus den umliegenden Dörfern kamen viele Interessierte, und wir würden diese Veranstaltungsreihe gern verstetigen“,
sagt Iris Kerstin Geisler. Für dieses Jahr sind sechs Veranstaltungen in der Reihe „Ottilies Ort“geplant.
Aus der Passion wird ein Start-up-Unternehmen
Im Jahr 2021 wagte Iris Kerstin Geisler den Schritt, sich beruflich ganz und gar dem zu widmen, was man als ihre Passion bezeichnen darf. Sie gründete das Ein-FrauStart-up „Lauter Literatur“und erarbeitet als Kulturvermittlerin Lesungen, die sie nicht nur in Räumen wie der Kulturkirche Löbstedt oder der Kirche Magdala präsentiert, sondern auch in Altenzentren, Kliniken, Kureinrichtungen und Stadtbibliotheken. Damit bietet sie nun auch einer Veranstaltungsreihe eine Heimat, die bereits vor mehr als zehn Jahren ins Leben gerufen wurde.
2012 startete Geisler gemeinsam mit zwei weiteren Kulturmenschen, der Kulturwissenschaftlerin Christine Theml und der Schauspielerin Helga Ziaja, die Veranstaltungsreihe „Literatur im Flur“. Geisler lebte damals in einer großen Jenaer Wohnung – viel Platz, der Flur glich einem Veranstaltungsraum und dieser wurde mit Literatur und Musik gefüllt. „Wir drei Frauen stellten regelmäßig Literatur vor, jede ein Buch ihrer Wahl, dazu gab es Musik. Etwa 35 Gäste hatten im Flur Platz“, erinnert sich Geisler. Regionale Lyrikerinnen wie Rita Dorn oder Iwa Antonow waren zu Gast. Aber auch überregionale Gäste wie der Journalist und Schriftsteller Andreas Montag brachten eigene Texte zu Gehör.
Literatur in der Galerie Huber und Treff
Nach dem plötzlichen Tod von Helga Ziaja, der einen schmerzlichen Einschnitt bedeutete, stieß Opernsängerin, Sprecherin und Autorin Christine Hansmann-Retzlaff zu dem verbliebenen „Literatur-imFlur“-Duo. Heute steht die große Jenaer Wohnung zwar nicht mehr zur Verfügung, doch für die Reihe „Literatur im Flur“fand sich in Jena ein neuer, atmosphärischer Ort: die Galerie Huber und Treff in Jena-Ost. Mit dem neuen Veranstaltungsort fügten sich nun drei Künste in einem Format zusammen: Neben Literatur und Musik können die Gäste nun auch die bildende Kunst genießen.
So laden Theml, HansmannRetzlaff und Geisler auch am Donnerstag, 27. April, 19 Uhr wieder zu „Literatur im Flur“ein und jede der drei Frauen wird sich einem anderen literarischen Thema zuwenden. Es musizieren Ilga Herzog und Kerstin Gröpner (Querflöte), und umgeben sind die Besucher von Gemälden der Künstlerin Sylvia PerletPfefferkorn, die der neuen Leipziger Schule zuzuordnen ist – viel weibliche Kulturkraft.