Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)
6000 Euro für unmenschliche Unterbringung
Gerichtshof: Italien verletzt die Rechte einer jungen Ghanaerin
Die Unterbringung einer traumatisierten Minderjährigen in einer Flüchtlingsunterkunft für Erwachsene stellt laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) eine unmenschliche Behandlung dar. Das Gericht urteilte am Donnerstag in Straßburg, dass die italienischen Behörden die Rechte einer heute 23-jährigen Ghanaerin verletzt hätten, die minderjährig insgesamt acht Monate in einer Unterkunft für Erwachsene verbringen musste. Der traumatisierten Frau sei so der Zugang zur nötigen psychologischen Betreuung verwehrt worden. Mehrfache Verlegungsanträge seien ignoriert worden.
Die Ghanaerin kam im Oktober 2016 mit dem Schiff in Italien an. Sie gab an, mehrfach Opfer sexuellen Missbrauchs geworden zu sein, unter anderem durch ihren Ehemann, mit dem sie in einer Zwangsehe verheiratet gewesen sei. Auf ihrer Flucht sei sie auch in Libyen vergewaltigt worden, sodass sie sich zur Flucht nach Italien entschieden habe. Nach einer Flucht aus der Erstaufnahmeeinrichtung wurde sie im Frühjahr 2017 in einem Aufnahmezentrum für Erwachsene in Como untergebracht. Es sei ihr hier nicht möglich gewesen, einen Asylantrag zu stellen, da der zugewiesene Vormund nicht zu den entsprechenden Terminen erschienen sei.
Dem Urteil zufolge sind die italienischen Behörden der wiederholten Aufforderung durch Gerichte nicht nachgekommen, der jungen Frau psychologische Betreuung zukommen zu lassen. Alle Ersuchen blieben laut Gericht unbeantwortet, sodass die Frau bis Oktober 2017 in der Einrichtung bleiben musste. Sie habe somit nicht die Unterbringung und Unterstützung erhalten, die ihre schutzbedürftige Situation erforderte. Der Gerichtshof sprach der Klägerin 6000 Euro Schadenersatz sowie 4000 Euro für die Verfahrenskosten zu.