Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)
Die Gesundheit am Finger überwachen
Smarte Ringe wollen Fitness-Trackern und Sportuhren Konkurrenz machen. Eine runde Sache oder lieber Hände weg?
Berlin. Wer seinen Fitnesszustand genauso wie seine wichtigsten Gesundheitswerte jederzeit im Blick haben möchte und dazu vielleicht noch seine Schlafqualität überwachen will, der trägt in aller Regel eine sportliche Smartwatch am Handgelenk – oder zumindest die günstigere, abgespeckte Variante: einen Fitnesstracker. Inzwischen gibt es zu beiden Geräten eine Alternative, die beim Tragen nicht nur dezenter, sondern auch noch modisch daherkommt: smarte Ringe.
Die sogenannten Smartrings – als Gegenstück zur Smartwatch – sitzen weniger auffällig am Finger und sind ebenfalls mit allerlei Sensoren zur Gesundheitsüberwachung und weiteren praktischen Funktionen ausgestattet. Welche Modelle gibt es auf dem noch überschaubaren Markt, was können und kosten sie – und welche Vor- und Nachteile der Messung am Finger sollte man vor dem Kauf kennen? Ein Überblick:
Smartes Schmuckstück mit schlauen Sensoren
Wer sich für smarte Ringe interessiert, stolpert schnell über den Namen Oura. Der Oura Ring des finnischen Unternehmens Oura Health Oy wurde schon 2015 vorgestellt. Der Hersteller gilt als Pionier mit der größten Erfahrung in der jungen Sparte. Drei Jahre später folgte die zweite Generation. Im Jahr 2021 erschien die aktuelle dritte Auflage. Der Oura Ring 3 bietet im Vergleich die vielleicht großzügigste Ausstattung, ist aber preislich auch im Bereich guter Smartwatches angesiedelt. Ab 314 Euro ist der Oura 3 erhältlich, mit einem platten Bereich auf der Oberseite und in vier Farbgebungen, darunter Gold und Silber. Die baugleiche, komplett abgerundete Variante kostet ab 376 Euro. Zum Vergleich: Vollwertige Smartwatches wie eine Apple Watch SE (ab 299 Euro) oder eine Samsung
Galaxy Watch 6 (ab 319 Euro) sind nicht teurer.
Bis auf kleinere Unterschiede bei Funktionen, Material und Preis ähneln sich die meisten smarten Ringe: Der Oura 3 etwa besteht aus recht kratzfestem Titan, ist mit 4 bis 6 Gramm sehr leicht und bis 100 Meter wasserdicht. Duschen und Schwimmen ist kein Problem. Auf der Innenseite des Smartrings sind sieben Sensoren verbaut. Diese messen zusammen mit der Software fortlaufend das, was viele Smartwatches und Fitnesstracker auch ermitteln: darunter Schrittzähler, Herzfrequenz (Puls), Herzfrequenzvariabilität (HRV) und die geschätzte Sauerstoffsättigung im Blut (SpO2). Ein Temperatursensor soll – wie bei der jüngsten Apple Watch – Abweichungen von der eigenen durchschnittlichen Hauttemperatur erkennen können. Dadurch sollen Trägerinnen Vorhersagen zum Zeitpunkt ihres kommenden Eisprungs erhalten können.
Insgesamt soll das Oura-Modell 30 verschiedene Aktivitäten automatisch erkennen können. Anhand von Schrittzahl, Kalorienverbrauch oder Trainingspensum ermittelt der Smartring, wie fit und aktiv eine Person ist. Zudem weist er eine Art Tagesform aus, die auf jüngsten Schlafdaten, Aktivitäten und Vitalwerten beruht. Weisen die Messungen auf Müdigkeit oder Krankheit hin, werden die Ziele heruntergeschraubt und eine Ruhepause empfohlen. Uhren von Fitbit (Google) oder Garmin bieten Ähnliches.
Als zentrale Funktion bewerben die Ringhersteller die Schlafüberwachung. Die kleinen Gadgets sollen bequem am Finger die Schlafphasen erkennen können und morgens nur dann per Vibrationen wecken, wenn man nicht im Tiefschlaf ist. Die Auswertungen am Morgen sollen Rückschlüsse auf die Schlafqualität zulassen – bei Oura sogar „mit Sensoren auf Forschungsniveau“. Ob allerdings diese Art der Schlafüberwachung auf Basis grob geschätzter Messwerte Aussagekraft besitzt, wird von Schlafmedizinern kritisch gesehen.
Voller Umfang nur mit App und teils kostenpflichtigem Abo
Wichtig: Allein mit dem smarten Ring ist es nicht getan. Jeder Hersteller liefert zu seinem schlauen Schmuckstück eine passende Begleit-App. Nur darüber lassen sich die am Finger gesammelten Daten auf dem Smartphone auswerten, grafisch betrachten und in gesunde Handlungsempfehlungen überführen. Schließlich fehlt den Ringen die Bildschirmanzeige einer Smartwatch. Ist das Handy samt App unterwegs dabei, lässt sich der Ring auch für diverse Sportarten nutzen. Die Oura-App etwa soll mit der Zeit den Körper der Träger immer besser kennenlernen und Rückmeldungen individueller auf ihn oder sie abstimmen können. Für den vollen Umfang der Funktionen und Auswertungen ist bei Oura jedoch ein Abo der App fällig: nach einem Testmonat für knapp 6 Euro monatlich.
Der Akku hält je nach Hersteller und Nutzung um die 5 bis 7 Tage durch. Zum Schutz und Laden des Akkus kommt der Ring meist in eine handliche Schatulle mit Anschluss für ein Ladekabel. Damit die Größe optimal auf den eigenen Finger passt, schicken die Hersteller zunächst ein Größen-Probierset.
Eine günstigere Alternative zum Oura zeigt etwa der chinesische Hersteller RingConn auf der am Freitag beginnenden IFA-Messe in Berlin (1. bis 5. September). Dieser ist schon ab 249 Dollar (ca. 231 Euro; Stand: 30. August) erhältlich und bietet vollen Umfang auch ohne Zusatz-Abo. Allerdings ist die App bislang nur auf Englisch und Chinesisch verfügbar. Mitmischen beim Smartring-Kampf wollen ebenfalls der deutsche Neuling RingGo mit seinem Modell samt Keramikoberfläche (ab 149 Euro), das indische Start-up Ultra Human mit einer Blutzuckermessung mittels einer Mini-Nadel (ab 299 Dollar; ca. 277 Euro) oder auch Circular aus Frankreich (ab 284 Euro). Mit manchen Ringmodellen kann man dank NFC („Near Field Communication“) auch kontaktlos bezahlen. Berichten zufolge soll sogar Technikriese Samsung an einem eigenen Ringmodell arbeiten.
Wer Gesundheit und Fitness unauffällig 24 Stunden am Tag überwachen will, kann über einen Smartring nachdenken, ambitionierte Hobbysportler sollten aber bei der Sportuhr am Handgelenk bleiben – die im Zweifel nicht viel teurer ist.