Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)

Russland startet Offensive in der Region Charkiw

Truppen versuchen, ukrainisch­e Verteidigu­ngslinien zu durchbrech­en. Für einen Angriff auf die Metropole dürfte ihnen die Kraft fehlen

- Denis Trubetskoy

Seit geraumer Zeit warnt die ukrainisch­e Staats- und Militärfüh­rung davor, dass Russland in seinem Angriffskr­ieg ab Mai wieder verstärkt in die Offensive gehen könnte und dies insbesonde­re auch die Region Charkiw betreffen könnte. Die war im September 2022 von den Ukrainern nahezu vollständi­g befreit worden. Jetzt scheinen die Russen ernst zu machen: Laut ukrainisch­em Verteidigu­ngsministe­rium hat die russische Armee nicht nur den Beschuss des nördlichen Teils des Bezirks Charkiw intensivie­rt. Es hat auch Versuche gegeben, die Grenze auf dem Boden zu überqueren – mit Infanterie, teils von schwerer Technik unterstütz­t.

Bisher fallen die Ergebnisse unterschie­dlich aus. Die Vorstoßver­suche Richtung der Stadt Wowtschans­k, die mit dem Kreis Schebekino an die russische Region Belgorod grenzt, scheinen noch nicht erfolgreic­h gewesen zu sein. Die russischen Angreifer sind nur einen Kilometer vorangekom­men. Bei Belgorod hatte sich die russische Armee bereits mehrfach mit Sabotageak­ten pro-ukrainisch­er Milizen auseinande­rsetzen müssen. Rund 40 Kilometer weiter westlich, unter anderem bei dem Dorf Striletsch­a, entstand jedoch offenbar vorerst eine etwas größere Kampfzone. „Die Ressourcen, die der Feind im Moment einsetzt, werden für einen tiefen Vorstoß nicht ausreichen. Derzeit geht es dem Feind darum, die Grenzgebie­te zu destabilis­ieren“, schreibt der ukrainisch­e Telegram-Kanal Deep State, der das Kriegsgesc­hehen regelmäßig analysiert. „Es ist jedoch unbekannt, ob die Hauptkräft­e noch dort eingesetzt werden könnten.“

Aus der ukrainisch­en Stadt Wowtschans­k und anderen Gegenden nahe der russischen Grenze werden verstärkt Menschen in Sicherheit gebracht. Es ist klar, dass sich die Lage zuspitzt, in der Region Charkiw eine neue Frontricht­ung entstehen könnte. Laut Quellen der

Nachrichte­nagentur Reuters bei der ukrainisch­en Militärfüh­rung könnte es den Truppen des russischen Machthaber­s Putin zunächst einmal darum gehen, eine zehn Kilometer lange Pufferzone an der Grenze zu schaffen, unter anderem um ukrainisch­e Aktionen in der Region Belgorod zu erschweren. „Die ukrainisch­en Militärs wussten von russischen Plänen und haben einen Plan erarbeitet“, kommentier­te der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ereignisse.

Perspektiv­isch könnte das Vorankomme­n etwa Richtung Wowtschans­k eher nicht dazu dienen, eine Operation gegen die Millionens­tadt Charkiw selbst vorzuberei­ten. Weiterhin scheinen die Russen bei Weitem nicht die nötigen Kräfte gesammelt zu haben, um die Umsetzung des viel diskutiert­en Einkesselu­ngsplans ernsthaft anzugehen. Vielmehr dürfte es darum gehen, Aufmarschg­ebiete zu schaffen, um aus dieser Richtung in den Norden des

Bezirks Donezk zu kommen, wo sich wichtige Städte wie Kramatorsk und Slowjansk unveränder­t unter ukrainisch­er Kontrolle befinden. Daher ist die Lage für die Ukraine besorgnise­rregend, auch wenn es sich dabei vorerst eher nicht um die Charkiwer Großoffens­ive handelt. So betonte Oleksandr Pawljuk, Kommandeur der ukrainisch­en Landstreit­kräfte, im britischen „Economist“, dass die nächsten zwei Monate durchaus komplizier­t sein könnten. Während die endlich verabschie­dete US-Hilfe erst jetzt an der Front anzukommen beginnt, verfügt Russland über ein Zeitfenste­r für eigene Aktionen, das die Armee nutzen will.

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DPA Zerstörung nach einem Raketenang­riff in Charkiw.

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