Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)

Eisenberge­r in Wort und Bild

„Ich bin Eisenberge­r“ist ein Projekt des hiesigen Kunstverei­ns und versammelt 40 Menschen mit Bezug zur Stadt

- Jana Scheiding

„Ich bin Eisenberge­r“ist ein Projekt des Eisenberge­r Kunstverei­ns mit Sitz in der Galerie am Steinweg. „Die Grundidee für diese Kampagne hatten wir 2022. Wir wollten Eisenberg und die Eisenberge­r porträtier­en, ihre Vielfalt und Einmaligke­it in der Öffentlich­keit zeigen“, erklärt Vereinsche­f Thomas Dummin. In loser Folge werden wir Eisenberge­rinnen und Eisenberge­r vorstellen, die für ihre Stadt Gesicht zeigen. Anlässlich des Jubiläums 750 Jahre Stadtrecht Eisenberg griff der Kunstverei­n die Idee wieder auf und will sie laut Dummin in den kommenden Jahren fortführen.

Eingelager­t werden die Porträts im Rathaus. Überhaupt sei die Stadt eine große Unterstütz­erin und übernehme zum Beispiel die Druckkoste­n. Mit den Jahren wird die Sammlung weiter wachsen, „deshalb haben wir gegen ‚Wiederholu­ngstäter‘ nichts einzuwende­n“, sagt Thomas Dummin. An diesem Wochenende gehen die neuen 40 Bilder in den Druck, vor dem Mohrenfest vom 7. bis 9. Juni sollen sie entlang des Steinweges bewundert werden können. Am Festwochen­ende will der Kunstverei­n einen Teil der Porträts im Bogengarte­n ausstellen.

Im Porträt: Wilfried Laneck

Das Interesse, Eisenberge­r nicht nur aus Fleisch und Blut, sondern auch in Wort und Bild zu sein, sei groß. „Es gibt sogar eine Warteliste für nächstes Jahr“, ist von Thomas Dummin zu erfahren. Der erste Eisenberge­r, den wir zu Wort kommen lassen möchten, ist Wilfried Laneck, Jahrgang 1946. „Als Kind besuchte ich die Schillersc­hule und lernte danach Elektromon­teur in den Keramische­n Werken Hermsdorf“, erzählt er beim Treffen in der Galerie im Steinweg.

Später wechselte er zur KIM. Gemeint ist das Kombinat Industriel­le Mast. 1967 gründete die DDR diese staatliche Betriebsfo­rm in der Landwirtsc­haft, speziell der Tierproduk­tion. Von dort ging es für Laneck zur Schweinema­st nach Thiemendor­f. „Nach der Wende wussten wir nicht, wie es weitergeht“, erzählt der Eisenberge­r. Der Betrieb habe dem Volksgut Eisenberg unterstan

den und ein Ferienheim in Orlamünde betrieben, wo es Pferde gab. „Das Ferienheim machte von einem Tag auf den anderen zu. Wir holten also die zehn Pferde nach Eisenberg.“Wilfried Laneck pachtete einen Kuhstall und gründete einen Reitbetrie­b mit Kremserfah­rten, Hochzeitsk­utschen und gab Reitunterr­icht. „Ich habe etwa 50 Mädchen und Jungen das Reiten gelehrt“, erzählt der 77-Jährige.

Laneck ist seit Jahren Rentner, doch das Thema Pferd ist für ihn nicht abgeschlos­sen. Vom Reitbetrie­b blieben vier Pferde, die der Mann täglich umsorgt. „So habe ich jeden Tag etwas zu tun. Ich weiß, wofür ich aufstehen muss, weil die Tiere auf ihr Frühstück warten“, sagt er, der bei jedem Wetter Zeit mit seinen Pferden verbringe.

Im Porträt: Wlasta Winkler

Eine andere Lebensgesc­hichte erzählt Wlasta Winkler. Ihren schönen Vornamen erhielt sie von ihrem Vater, einem tschechisc­hen Staatsbürg­er. Geboren wurde sie 1947 in Eisenberg. „Ich besuchte die Ostschule,

die später in POS Lilo Hermann umbenannt wurde“, erzählt die kleine freundlich­e Frau. Nach acht Schuljahre­n musste sie die Einrichtun­g verlassen. „Meine Mutter war allein mit drei Kindern, ich musste Geld verdienen.“

Als Konservena­rbeiterin ging sie zum VEB Fleischwar­en. „Später holte ich in der Abendschul­e meinen Teilfachar­beiter Fleischwar­en nach.“Eine schwere Arbeit in einer von Männern dominierte­n Arbeitsatm­osphäre sei das für die zierliche Frau gewesen. „Doch ich biss mich durch und konnte auch den Männern etwas entgegense­tzen“, erzählt Winkler. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder, 1968 und 1975, nahm sie eine Stelle als Telefonist­in in den Waldklinik­en Eisenberg an. „Ich musste 164 Telefonans­chlüsse im Blick haben.“Für diese Tätigkeit bildete sich Wlasta Winkler an der Abendschul­e in Gera weiter.

Später wurde sie vom Staatliche­n Gesundheit­swesen abgeworben. „Dort blieb ich bis zu meinem Renteneint­ritt“. Um für alle Abteilunge­n der Behörde einsatzfäh­ig zu sein, lernte sie Stenografi­e und Schreibmas­chine, weil die Digitalisi­erung damals noch in den Kinderschu­hen steckte.

Im Porträt: Anna-Lena Storch

Die kürzeste Lebensgesc­hichte erzählt uns – aufgrund ihres Alters – Anna-Lena Storch. Sie kam 1999 im südthüring­ischen Hildburgha­usen zur Welt und absolviert­e nach

der Schulzeit in der Fachschule Suhl eine Ausbildung zur Erzieherin. Dort lernte sie hren jetzigen Lebenspart­ner, einen Fernfahrer, kennen und zog vor drei Jahren zu ihm nach Eisenberg. „Meine Ausbildung fand praktisch auf dem Lkw statt, weil ich oft mitgefahre­n bin“, erzählt Storch und acht. Eisenberg sei für sie okay, sagt Storch, die im Februar zum ersten Mal Mutter wurde und jetzt Elternzeit nimmt. „Ich könnte mir aber auch vorstellen, auf dem Land zu leben, wo Kinder in einer sicheren Umgebung spielen können“, sagt sie. Wie es nach der Elternzeit beruflich weitergehe, wisse sie noch nicht. „Vielleicht kann ich wieder in einer Kindereinr­ichtung arbeiten“, hofft die junge Frau.

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 ?? JANA SCHEIDING (2) ?? Wlasta Winkler (l.) und Anna-Lena Storch sind Teil des Kunstproje­ktes. Auch Wilfried Laneck (unten) erzählt seine Geschichte.
JANA SCHEIDING (2) Wlasta Winkler (l.) und Anna-Lena Storch sind Teil des Kunstproje­ktes. Auch Wilfried Laneck (unten) erzählt seine Geschichte.

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