Ostthüringer Zeitung (Saale-Holzland-Kreis)
Europa in der eigenen Hand
Die Tür ist offen. Einen Fuß haben die THC-Handballerinnen um Johanna Reichert drin. Der Österreicherin kommt im Topspiel mit Blomberg eine Schlüsselrolle zu
Bad Langensalza. Die Schwellung ist zurückgegangen. Das Fußgelenk schmerzt dennoch. „Aber weniger“, erzählt Johanna Reichert. Deshalb nachzulassen, käme für die THCHandballerin nicht infrage. Schon gar nicht in dieser heißen wie heiklen Saisonphase. „Die letzten Wochen werden durchgezogen.“
Das sagt die Österreicherin nicht nur vor dem Bundesliga-Schlüsselspiel am Samstag gegen Blomberg, sie setzt das auf dem Feld seit Wochen um. Neun, sechs, elf, sieben – einige hielten die Luft an, nachdem die Rückraumspielerin vor vier Wochen in Buxtehude umgeknickt war. Doch beißt sie seither wie einst mit langwierigen Rückenbeschwerden auf die Zähne, übernimmt dabei als Jüngste immer mehr Verantwortung und trifft selbst mit dickem Knöchel unablässig; im Schnitt der letzten vier Partien achtmal.
„Wahnsinn, was sie gerade leistet“, wiederholt sich Trainer Herbert Müller, wenn er über die Österreicherin spricht. Mit 108 Toren führt die 22-Jährige die Teamstatistik an und liegt vor dem Showdown in der Liga an elfter Stelle. Ihre beste Saison, auch wenn sie nicht zu hundert Prozent zufrieden ist. „Ich würde gern auch Abwehr spielen“, sagt sie. Das gehöre dazu, sieht sie bei sich Verbesserungspotenzial.
Johanna Reichert will gefordert sein. Und sie ist gefordert. Nicht zuletzt infolge des Umstandes, dass sich die Personallage beim Vierten zum Saisonende zuspitzt. Neben Jennifer Rode und Nathalie Hendrikse fehlt Johanna Stockschläder. Ob Annika Lott nochmals zurückkehren kann, ist angesichts der anhaltenden Knieverletzung offen. Im Moment absolviert sie eine Reha.
Links, rechts, Mitte – Johanna Reichert ist variabel, strahlt von allen Rückraumpositionen Gefahr aus. Innerhalb von drei Serien ist sie eine tragende Spielerin bei den Thüringerinnen geworden. Das aktuelle Hoch selbst kann sie schwer beschreiben. „Ich weiß nicht, warum es gerade so gut läuft. Sicher ist das auch tagesformabhängig. Aber ich bin froh, dass es so ist“, sagt sie. Der endlich schmerzfreie Rücken hilft.
Nicht allzu zu sehr darüber zu grübeln geht bei der wurfstarken Blondine einher. Sie schert sich ohnehin wenig um Tore oder Tabellenstände. „Es bringt mir nichts, wenn ich zehn Tore schieße und wir verlieren“, so „Jojo“. Druck ist ohnehin immer da. Wichtig ist zu gewinnen.
Das besitzt drei Spieltage vor Ende besondere Bedeutung. Mit Dortmund, Bensheim, dem THC und Blomberg kämpfen vier Teams um drei noch zu vergebende drei Plätze in der European League. Das Tor ist offen. „Gewinnen wir, sind wir in
Europa dabei. Verlieren wir, bleibt Blomberg im Rennen“, macht Trainer Müller eine simple Rechnung vor den noch folgenden Partien bei Solingen und gegen Metzingen auf.
Einfach nur stellt sich das Gewinnen gegen den Fünften am Samstag nicht dar. Eine ausgeglichene Besetzung, ein Luxusproblem auf Linksaußen, Breite in der Torgefahr und Tempo machen Blomberg zu einem Team, „das international spielen kann“, sagte Müller vorm Fernsehspiel. So schwer die Aufgabe ist, so reizvoll ist sie aber auch. Europa liegt ganz in der eigenen Hand.