Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Sophisten in Thüringen
Manche Dinge ändern sich nie. Zum Beispiel wie sich Parteien verhalten, je nachdem, ob sie in der Opposition sind oder an der Regierung. Die CDU in Thüringen, eine gefühlte Ewigkeit an der Macht und nun in der Opposition, fordert aktuell, Bürgern die Möglichkeit zu bieten, unliebsame Gesetze zum Scheitern zu bringen. Als die Ministerpräsidentin noch Christine Lieberknecht hieß, dachte die Union selbst in ihren miesesten Träumen nicht daran, ihren Gestaltungswillen durch eine direkte Entscheidung der Bürger bremsen zu lassen. So hat der Verstoß zwar Charme, kommt aber reichlich an Jahren zu spät.
Rot-Rot-Grün als Regierende machen es aber auch nicht anders. Weil die CDU über Jahrzehnte tapfer am Wahlvolk vorbei monologisierte, traten vor allem linke und grüne Oppositionelle mit dem wohlklingenden Versprechen an, den Dialog mit dem Bürger zu suchen.
Das weckte bei eben jenem Bürger in Thüringen verständlicherweise die Erwartung, Dialog bedeute Mitsprache. Pustekuchen! Von wegen. Ob Windkraftanlagen oder Gebietsreform. Bodo Ramelows Regierungstruppen wiederholen gebetsmühlenartig die Pläne. Wer protestiert, ob gegen Windmühlen oder die großräumige Abschaffung ortsnaher Verwaltungsstrukturen, wird als CDU-Sympathisant verunglimpft. Erfurt als Synonym für die Landespolitik hat sich offensichtlich schon so weit entfernt von der kommunalen Basis, dass den Regierungsparteien in der Landeshauptstadt gar nicht mehr auffällt, dass nicht wenige ihrer eigenen Parteifreunde eher nichts von den meisten Plänen zur Windkraft und Gebietsreform halten.
Zuerst pflegten übrigens den Dialog im alten Griechenland die sogenannten Sophisten Männer, denen besonderes Wissen nachgesagt wurde. Später setzte sich der Begriff des Sophisten auch als Bezeichnung für all jene Schwindler durch, die sich nicht scheuen, um ihre Standpunkte durchzusetzen, bewusst falsch zu argumentieren. Insofern sind also heute in Thüringen wieder reichlich Sophisten unter uns.