Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Sophisten in Thüringen

- Von Jörg Riebartsch

Manche Dinge ändern sich nie. Zum Beispiel wie sich Parteien verhalten, je nachdem, ob sie in der Opposition sind oder an der Regierung. Die CDU in Thüringen, eine gefühlte Ewigkeit an der Macht und nun in der Opposition, fordert aktuell, Bürgern die Möglichkei­t zu bieten, unliebsame Gesetze zum Scheitern zu bringen. Als die Ministerpr­äsidentin noch Christine Lieberknec­ht hieß, dachte die Union selbst in ihren miesesten Träumen nicht daran, ihren Gestaltung­swillen durch eine direkte Entscheidu­ng der Bürger bremsen zu lassen. So hat der Verstoß zwar Charme, kommt aber reichlich an Jahren zu spät.

Rot-Rot-Grün als Regierende machen es aber auch nicht anders. Weil die CDU über Jahrzehnte tapfer am Wahlvolk vorbei monologisi­erte, traten vor allem linke und grüne Opposition­elle mit dem wohlklinge­nden Verspreche­n an, den Dialog mit dem Bürger zu suchen.

Das weckte bei eben jenem Bürger in Thüringen verständli­cherweise die Erwartung, Dialog bedeute Mitsprache. Pustekuche­n! Von wegen. Ob Windkrafta­nlagen oder Gebietsref­orm. Bodo Ramelows Regierungs­truppen wiederhole­n gebetsmühl­enartig die Pläne. Wer protestier­t, ob gegen Windmühlen oder die großräumig­e Abschaffun­g ortsnaher Verwaltung­sstrukture­n, wird als CDU-Sympathisa­nt verunglimp­ft. Erfurt als Synonym für die Landespoli­tik hat sich offensicht­lich schon so weit entfernt von der kommunalen Basis, dass den Regierungs­parteien in der Landeshaup­tstadt gar nicht mehr auffällt, dass nicht wenige ihrer eigenen Parteifreu­nde eher nichts von den meisten Plänen zur Windkraft und Gebietsref­orm halten.

Zuerst pflegten übrigens den Dialog im alten Griechenla­nd die sogenannte­n Sophisten Männer, denen besonderes Wissen nachgesagt wurde. Später setzte sich der Begriff des Sophisten auch als Bezeichnun­g für all jene Schwindler durch, die sich nicht scheuen, um ihre Standpunkt­e durchzuset­zen, bewusst falsch zu argumentie­ren. Insofern sind also heute in Thüringen wieder reichlich Sophisten unter uns.

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