Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)
Brexit: Helaba erwartet nervösen Geldmarkt
um weitere potenzielle „Abweichler“zu disziplinieren“, so das Trend-Papier von Chefvolkswirt Traud. Dafür bedürfe es eines Zeichens aus Brüssel, den Wählerwillen zu respektieren und sich Kompromissen nicht zu verschließen.
Besonders aufmerksam schaut man bei der Helaba auf die Geldmärkte. Neben dem Einbruch des DAX stünden Anleihen aus der Eurozone unter erhöhter Beobachtung. „Der Anlagenotstand weitet sich aus“. Zudem stehe der EuroDollar-Kurs unter Druck. „Mit dem britischen Votum wachsen wieder Zweifel an der EU und an der Währungsunion“, konstatiert der Wochenausblick. Erwartet werden nervöse Reaktionen des Devisenmarktes. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Thüringer Wirtschaft gab Gertrud R. Traud gegenüber unserer Zeitung allerdings Entwarnung: „Der Austritt Großbritanniens aus der EU dürfte für Thüringen wie für Deutschland insgesamt kaum zu Wachstumseinbußen führen. Zwar ist Großbritannien das drittgrößte Ausfuhrziel, allerdings spricht der Anteil von 8 Prozent an den Exporten für ein überschaubares Risiko der Thüringer Unternehmen“, so die Finanzexpertin.
Die insgesamt moderate Entwicklung gelte aber nur, wenn in den Austrittsverhandlungen ein tragfähiger Kompromiss gefunden wird. Bei Firmen mit besonders intensiven Beziehungen in das Vereinigte Königreich könnten sich deren Produkte für die Briten verteuern, sofern die Abwertung des britischen Pfundes dauerhaft bliebe.
Ungeachtet dieser Bewertung reagierte die deutsche Wirtschaft gestern entsetzt. „Der Brexit ist für die deutsche Wirtschaft ein Schlag ins Kontor“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. In den Chefetagen herrsche Katerstimmung.
Die Industrie fürchtet harte und unmittelbare Folgen für den Handel mit der Insel. Dort arbeiten fast 400 000 Beschäftigte in Niederlassungen deutscher Firmen.
Der Autohersteller Opel forderte eine schnelle Klärung der künftigen Wirtschaftsbeziehungen zum Vereinigten Königreich ein. Während der Verhandlungen müsse der Handel weiter vom freien Verkehr von Waren und Personen profitieren, teilte Opel in Rüsselsheim mit.
Über seine Schwestermarke Vauxhall verkauft Opel in Großbritannien so viele Autos wie in keinem anderen Land Europas. Im vergangenen Jahr waren es 311 000 von mehr als 1,11 Millionen abgesetzten Autos.
Opel fordert schnelle Klärung der Beziehungen Daimler rechnet nicht mit Auswirkungen
Im Thüringer Opelwerk in Eisenach werden die Modelle Corsa und Adam auch für den britischen Markt gebaut.
Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht nach dem Brexit-Votum keine Beeinträchtigungen für die Geschäfte des Stuttgarter Autobauers. „Was Daimler betrifft, erwarten wir keine unmittelbaren Auswirkungen“, sagte der Manager am Freitag. Dennoch zeigte sich der Vorstandschef enttäuscht über das Votum im Vereinigten Königreich: „Das ist kein guter Tag für Europa – und aus meiner Sicht erst recht nicht für Großbritannien.“
Es sei wichtig, dass sich Europa „nicht weiter auseinanderdividieren“lasse. Verkaufszahlen für Großbritannien gibt Daimler nicht bekannt, das Land ist nach Firmenangaben aber ein wichtiger Absatzmarkt in Europa für Pkw, Lkw und Vans.
Der Daimler-Konzern hat 2015 am Thüringer Standort Kölleda (Landkreis Sömmerda )ein großes Motorenwerk aufgebaut und mehrfach erweitert, dass die Antriebe für viele Mercedes-Modelle fertigt.
Eine klare Kante der EU forderte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW). „Die EU-Kommission ist nun in den Austrittsverhandlungen gefordert, das Maximale für die Bürger und Unternehmen der EU-27 herauszuholen. Den Briten darf ihr Abschied nicht noch durch Zusicherung von Vorteilen und Vergünstigungen versüßt werden“, sagte Ohoven. Eine EU-Mitgliedschaft „light“dürfe es nicht geben.