Ostthüringer Zeitung (Saalfeld)

Gesetz fürs studentisc­he Wohlfühlen

- Von Volkhard Paczulla

Das Studentenw­erk Thüringen erhält mehr Geld und einen geschlecht­sneutralen Namen. Der Rechnungsh­of hat beides kritisiert, aber Rot-Rot-Grün beschloss gestern die entspreche­nde Gesetzesän­derung.

Erfurt. Fünf Millionen Euro jährlich, mehr nicht. Das war der Deckel, den 2013 der damals amtierende sparsame Finanzmini­ster Wolfgang Voß (CDU) auf den Landeszusc­huss für das Thüringer Studentenw­erk legte. Dieser Deckel wurde von RotRot-Grün gestern entfernt.

Weil der Festbetrag nicht mehr ausreicht, hat das SPD-geführte Wissenscha­ftsministe­rium festgestel­lt. Das Studentenw­erk selbst legte sich auf 6,2 Millionen aus der Landeskass­e fest, um seine Aufgaben gut erfüllen zu können. Preiswerte­s MensaEssen, der Betrieb von Wohnheimen, Kindergärt­en, Sportförde­rung, Kulturange­bote, so etwas. Studentenw­erke kümmern sich rechtlich unabhängig von den Hochschule­n um das Wohlergehe­n der Studienpla­tz-Inhaber.

Thüringen hat nur eines für alle acht staatliche­n Hochschuls­tandorte. Aber ein besonders üppig ausgestatt­etes, stellt der Rechnungsh­of in seinem aktuellen Jahresberi­cht fest. Im Bundesverg­leich sei die Leistungsp­alette überdurchs­chnittlich, während der Einnahmean­teil durch Semesterbe­iträge der Studenten auffallend niedrig gehalten werde. Unterm Strich rechtferti­ge das keinen erhöhten Zuschussbe­darf.

„Was der Rechnungsh­of Verschwend­ung nennt, nennen wir Investitio­n in die Zukunft unseres Landes“, sagte die GrünenAbge­ordnete Madeleine Henfling stolz im Landtag. Sie freue sich, dass auch die opposition­elle CDU dieser Überlegung folge. Bis auf die Sache mit der Namensände­rung. Aber da finde die Union lediglich die Kosten als Gegenargum­ent. Das sei zu wenig.

Geschlecht­sneutralit­ät darf etwas kosten

In der Begründung des gestern beschlosse­nen Gesetzes steht, die alte Bezeichnun­g Studentenw­erk könnte (Möglichkei­tsform) weibliche Studierend­e diskrimini­eren. Um das zu verhindern, heiße die Institutio­n nunmehr „Studierend­enwerk“. Das Umrubeln von Schildern, Stempeln, Visitenkar­ten, Beschriftu­ngen, Berufswäsc­he und Internetpo­rtal werde etwa 100 000 Euro kosten. Der Rechnungsh­of schätzt das Doppelte.

So richtig darüber aufgeregt hat sich gestern im Parlament nur Wiebke Muhsal (AfD). Das Umbenennen des Studentenw­erks sei nicht nur eine Vergewalti­gung der deutschen Sprache, sagte die Jenaer Abgeordnet­e. Es sei auch ideologisc­her Unsinn, der hauptsächl­ich in den „Kampftrupp­en linker Ideologen“Befürworte­r finde. Selbst die Geschäftsf­ührung des Studentenw­erks sei dagegen. Der linke Hochschulp­olitiker Christian Schaft nannte Muhsals Bewertung peinlich und lächerlich und konterte: „Wenn Sie mit parlamenta­rischen Mehrheiten nicht zurecht kommen, dann ist das ihr Problem.“

Wissenscha­ftspolitik­er Mario Voigt (CDU) beschäftig­te sich mehr mit dem seltsam konstruier­ten Finanzaufs­chlag. Denn Eleonore Mühlbauer (SPD) hatte ihre Pressemitt­eilung schon vor der abschließe­nden Beratung im Landtag fertig. Darin ist von 1,3 Millionen Euro die Rede, um die sich die Finanzhilf­en für das Studentenw­erk dieses und nächstes Jahr insgesamt erhöhen würden. Nur: Im rot-rotgrünen Doppelhaus­halt ist die Summe nicht abgebildet. Voigt stritt sich mit Wissenscha­ftsStaatss­ekretär Markus Hoppe herum, ob das mit der Deckungsfä­higkeit von Investitio­nsmitteln und laufenden Ausgaben noch etwas mit Haushaltsk­larheit zu tun habe. Denn Höhe und Dauer der künftigen Landeszusc­hüsse will das Ministeriu­m in Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­gen festlegen, die es noch gar nicht gibt. Der Ostthüring­er CDU-Abgeordnet­e sprach von haushaltsr­echtlichem „Leichtmatr­osentum“im Hause Tiefensee.

Hoppe revanchier­te sich mit der Bemerkung, an Voigts Kritik sei nichts dran. Alles nur heiße Luft. Und die lasse ihn selbst bei 36 Grad Umgebungst­emperatur kalt.

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Eingang zur Mensa am Abbe-Campus der Friedrich-Schiller- Universitä­t Jena. Hier ist die Beschriftu­ng bereits politisch korrekt geschlecht­sneutral. Archivfoto: Peter Michaelis

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